Zitate von Sully Prudhomme
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Ich hege eine tiefe Freundschaft für Menschen, die ich heute nicht besonders schätzen könnte, hätte ich sie nicht schon seit meiner Kindheit gekannt. Daran erkenne ich den Einfluß der Gewohnheit auf unsere Zuneigungen. Liegt das nicht daran, daß es immer etwas Gutes im Menschen gibt?
Die Aufrichtigkeit ist – mindestens nach meiner Ansicht – die erste Bedingung jedes geistigen Schaffens.
Man muß den Zweifel achten, denn er ist kein Fehler. Er ist wie die Rettung des Verstandes im Ozean der Doktrinen.
Bei einem Paar ist immer ein Teil Tyrann. Wie kommt das? Am häufigsten liegt das daran, daß die Liebe nicht auf beiden Seiten gleich ist; der Teil, der mehr geliebt wird, gefällt sich darin, seine Macht zu erproben.
Alle Auflehnung gegen die Natur, gegen die Seinsbedingungen ist unfruchtbar und krankhaft.
Die praktische Philosophie besteht weniger darin, das Glück zu suchen, als in der Kunst, darauf zu verzichten.
Nichts ist leichter zu zerstören als das Glück eines Menschen. Es ist das Ergebnis einer unendlichen Reihe von Ursachen und schwer zu fassenden und doch sehr tief reichenden Bedingungen.
Die Frau muß gehorchen, es sei denn, der Mann unterwerfe sich ihren Befehlen, denn das Paar braucht ein Haupt.
Wenn alle Menschen, die Sie kennen, Ihre Briefe untereinander austauschten, wäre Ihnen unbehaglich zumute.
Ein und dieselbe Handlung kann vom Wahnsinn oder von höchster Philosophie eingegeben sein.
Die Cafés sind gute Erfindungen, günstig für die Freundschaft: Jemand einladen heißt, ihm seine Zuneigung beweisen.
In der Liebe ist Egoismus, in der Freundschaft nicht. Das eine leiht, das andere gibt.
Der eine hört zu lieben auf, indem er auf eine Herrschaft verzichtet, die ihn nicht mehr interessiert, der andere, indem er ein Joch abwirft, das ihm kein süßes Joch mehr ist.
Die Höflichkeit ist die einzige Heuchelei, die man sich verzeiht, denn sie ist gegenseitig.
Das Leben ist für die unglücklichen Arbeiter nicht viel mehr als ein Kampf gegen den Tod, ein Leiden, um sich gegen das Leiden stark zu machen.
Ich begreife nicht, warum eine häßliche Frau auf einem Ball erscheint; das ist ein Widersinn.
Man kennt nur das, was man entdeckt. Gut unterrichten heißt, den Schüler selbst entdecken lassen.
Seltsame Illusion der Frauen zu glauben, die Kleidung lasse Gesicht und Figur vergessen!
Lieben ist nichts Besonderes, sich gegenseitig lieben sehr selten. Die Liebe ist ein Gesetz, die Gegenseitigkeit der Liebe ein Zufall.
Die Worte Herz, Seele und Gott sind für die Sprache der Poesie wesentliche Bestandteile geworden.
Es gibt Menschen, die durch kleine Zwischenfälle aus dem Gleichgewicht geraten können, während sie die großen Schläge standhaft ertragen.
Die Vergangenheit einer Frau ist wie die Wurzel einer Blume: die Wurzel steckt im Schmutz, dennoch führt man die Blume an die Lippen.
Gesundheit erkennt man daran, daß das Leben seine Wurzeln gern in das irdische Element senkt und sich dort wohl fühlt.
Die Scham ist das Widerstreben der Frau, ihren Körper ohne die Seele hinzugeben; ein Beweis der Unteilbarkeit des Seins.
Zwei Freunde müssen sich im Herzen ähneln, in allem anderen können sie grundverschieden sein.
Immer wieder findet man in den intelligentesten Menschen zugleich die liberalsten und in den Ungebildetsten die radikalsten.
Es gibt Menschen, die man lieber krank als untreu sehen möchte, und das nennt man Liebe.
Die Liebe geht in größere Breite als die Freundschaft, weil sie fähig ist, sich zu ergänzen, aber die Freundschaft steht höher als die Liebe, da sie zu trösten versteht, wenn die Liebe zerbricht.