Zitate von Ernst Siegfried Mittler

Den vollen wahren Lebensgenuß findet nur, wer sich die Freude am Kleinen bewahrt, ja die Geduld am Unvollkommenen behauptet.

Nicht nur: „er hat vollendet“ sollte man einem Dahingeschiedenen nachrufen, sondern hinzufügen: „und ist vollendet!“

Ehe sie den Wert des Lebens erkannt, haben die meisten es schon halb durcheilt.

Das Alter hat am meisten zu erzählen, aber wie wenige wollen es hören und beherzigen!

Nicht die Zahl der Jahre, sondern die Erlebnisse altern den Mann, und auch diese dann erst am schwersten, wenn er sie Gott nicht anvertraut.

Ein Menschenleben reicht nicht hin, alle ernsten Werte kennen zu lernen und zu genießen; wie sollte da noch Zeit sein, mit minderen Werten sich abzugeben?

Jeder Tag ohne Liebe zu erweisen oder zu empfangen, ist ein verlorener in Gottes Reich.

Mit Ehrerbietung sehen wir wohl auf die Vorfahren, mit Vertrauen auf die Zeitgenossen, versäumen aber leicht, auf die Nachkommen zu blicken.

Der Begriff der Unendlichkeit ist der Vernunft versagt, aber der der Unsterblichkeit der Seele eingeboren.

Später Dank und späte Freuden gleichen der Wintersonne: sie wärmen wenig und wecken müde Kräfte.

Quisquis praesumitur bonus ist der heidnische Grundsatz der Menschenliebe und Menschenwürde; wehe aber einer Christenheit, die ihn ins Gegenteil verkehrt: Quisquis praesumitur malus.

Wieviel freundlicher und gefüger ist der Raum als die Zeit: liebe Stätten kann man wiedersehen, in glückliche Stunden sich nur zurückträumen.

Je näher am Ziele, desto größer die Anspannung der körperlichen Kräfte, es zu erreichen, der geistigen, es zu verdienen.

Mit dem Alter beginnen die Schwächen des Lebens; umso mehr muß die Seele ihnen standzuhalten bereit sein.

Streben heißt leben: Vertausche zwei Buchstaben, es genügt, daß Alles sich ins Gegenteil fügt: sterben.

Endlos ist ziellos; ungemessene Schätze vergeudet man; erst, indem das Leben an den Tod rückt, empfängt es Gestalt und Schwerkraft.

Wer an die Unsterblichkeit glaubt, muß auch an das Näherliegende, an die Fortentwicklung der Menschheit hienieden zum Guten glauben.

Wo das Wissen aufhört, leuchtet auf der Glaube, und wo der Glaube aufhört, das Schauen.

Wohl dem, dem nicht körperliche Schwäche, nicht Entsagung, sondern Erfahrungsreichtum, Weisheit die Anzeichen des Alters bringen!

Freude bezahlt der Mensch durch Leid. Er sammle Schätze in guten Zeiten, froh, wenn er nur deren Zinsen in schlechten Zeiten aufwenden muß.

Wohl dem, der die Gegenwart als liebe Fortsetzung seiner Erinnerungen, als Richtschnur und Bürgschaft der Zukunft genießt.

Unendlich ist der Raum, durch den wir in dunkler Nacht sternenweit schauen, aber bei lichtem Tage bietet er sich faßbar umgrenzt dem Auge. Nie die Zeit: unsichtbar bleibt sie, stumm, unerbittlich, ein Geheimnis dem Menschen, eine Macht, die uns alle unterjocht.

Ja, lerne zeitig begreifen, daß Dein ganzes Leben Dich vorbereiten muß, den Tod zu bestehen.

Nütze die Zeit: Die Zeit, so lehrte mein Urgroßvater, hat ein Janusgesicht, von vorn zeigt sie sich Dir jung und frisch: greife sie fest an der Stirnlocke; hinten hat sie eine Glatze.

Dein Alter setze im Kampfe der Meinungen stets als Dein schwächstes Vorrecht an. Zwar ist es von Gott Dir gewährt, gilt aber als solches vor allem Dir selbst.

Je höher der Mensch steigt, desto mehr sollte er, wie die Sonne, nicht nur glänzen, sondern auch wärmen.

Ich wollte das Alter gern der Jugend gleichsetzen, wenn es nur nicht die Enge der Bewegung, die Schwere der Erinnerung, die Bitternis der Erfahrung hätte.

Große Taten erscheinen uns oft so bewundernswert, daß wir sie nur von gereiften, erfahrenen, gefestigten Männern ausgeführt glauben und zu diesen wie zu Greisen verehrungsvoll aufschauen: wie staunen wir, wenn wir uns für viel älter als jene erkennen.