Zitate von Luc de Clapiers
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Die Selbstsucht einer einzigen, oft unglücklichen Leidenschaft hält alle anderen gefangen, und auch die Vernunft ist nicht imstande, diese Ketten zu zerreißen.
Wie wohlig und warm läßt es sich doch der beschauliche Betrachter im warmen Zimmer sein, wenn er über den Soldaten herzieht, der in den kalten Winternächten am Ufer eines Flusses einsam über Ruhe und Sicherheit der Heimat wacht!
Zwei Dinge können im Alter Talent und Lebensgenuß zur Not ersetzen: Ruf oder Reichtum.
Die übliche Klippe für den Mittelmäßigen ist die Nachahmung der Begüterten, und niemand ist so geckenhaft wie der Schöngeist, der den Weltmann spielt.
Das schlimmste Übel, das das Schicksal einem antun kann, ist, ihn mit geringem Talent und großem Ehrgeiz auszustatten.
Der Ehrgeiz erfüllt die Welt mit Tugenden und bedeckt die Erde wie eine wohltätige Sonne mit Blumen und Früchten.
Die Macht des Geistes und der Tüchtigkeit haben den ersten Reichtum geschaffen. Die Lebensumstände hängen vom Grad des Geistes und vom Maß der Energie ab.
Selbst wenn es möglich wäre, zu schenken ohne zu verlieren, würden manche Menschen trotzdem jeder Bitte unzugänglich bleiben.
Wir verlangten nicht so ehrgeizig die Achtung der Menschen, wenn wir sicherer wären, sie zu verdienen.
Die nach uns kommen werden vielleicht mehr gelten als wir und sich für klüger halten, aber werden sie auch glücklicher und weiser sein? Wir selbst, die wir uns so viel Wissen angeeignet haben, sind wir etwa besser als unsere Väter, die, nach unserem Maß gemessen, so wenig wußten?
Verstellung ist eine Anstrengung des Verstandes und keineswegs ein Laster der Natur.
Rät uns die Leidenschaft kühner als die Vernunft, so verleiht sie auch mehr Kraft zur Ausführung.
Unsere Reden sind nie so überzeugend, als wenn die Gefühle unser Herz bis zum Rand füllen.
Wir können uns unsere Unvollkommenheit ruhig zu Bewußtsein bringen, ohne uns durch diese Einsicht bedrücken zu lassen.
Es ist kein großer Vorteil, einen lebhaften Geist zu haben, wenn er nicht auch richtig ist: Die Vollkommenheit einer Uhr beruht nicht auf ihrem raschen, sondern auf ihrem richtigen Gang.
Man hüte sich, etwas zu verurteilen, was man von Natur aus liebt. Es gibt kaum ein Jahrhundert und kein Volk, das nicht seine eigene Vostellung von Tugend und Laster gebildet hätte.
Auch herzensgute Menschen können sich manchmal nur auf Kosten der Gesellschaft unterhalten.
Wer vor acht aufsteht, um keine Gerichtsverhandlung zu versäumen, im Louvre Gemälde anzuschauen oder um zur Probe eines neuen Stücks ins Theater zu eilen, und sich darauf etwas einbildet, alles und jedes zu beurteilen, ist ein Mann, dem es meist an zweierlei fehlt: an Geist und Geschmack.
Immer geht in der Kindheit der Völker wie der einzelnen das Gefühl dem Verstand voraus.
Es ist bemerkenswert, daß alle Dichter Ausdrücke Racines gebrauchten und daß Racine selber niemals seine eigenen Ausdrücke wiederholt hat.
Das Laster hetzt zum Krieg, aber die Tapferkeit kämpft. Gäbe es keine Tapferkeit, so hätten wir für immer Frieden.
Uns alle trennen die Leidenschaften zeitweise von der Gesellschaft und machen alle Vernunft der Welt für uns unnütz, wie wir es selbst für die Vergnügungen anderer geworden sind.
Warum nur nennt man die blumenreiche, zierliche, elegante Sprache akademisch? Und warum nicht den kraftvollen, klaren Vortrag? Wo sollte die wahre Redekunst gepflegt werden, wenn man sie in der Universität entkräftet?
Aus Trägheit glauben wir, auf den Ruhm verzichten zu können, und mühen uns doch ohne Klage unser Leben lang um kleinster Vorteile willen.
Die Vernunft errötet über die Neigungen, über die sie nicht Rechenschaft ablegen kann.