Zitate von Marcel Proust
page 2
Die Kraft, die am häufigsten pro Sekunde die Erde umkreist, ist nicht etwa die Elektrizität, sondern der Schmerz.
Man ist nie so unglücklich, wie man glaubt. On n’est jamais aussi malheureux qu’on croit.
All unsere endgültigen Beschlüsse werden in einem Geisteszustand gefaßt, der nicht anhalten wird.
Klar nennt man die Ideen, die dasselbe Maß an Verwirrung haben wie unser eigener Geist.
Ich hatte rechtzeitig begriffen, dass es ein Fehler war, freundlich zu lächeln, wenn sich jemand über mich lustig machte.
Wir werden von einer Leidenschaft nur geheilt, wenn wir sie bis zum Letzten auskosten.
Loslassen – Setz dich an einen Bach und sei einfach da. Das Lied des Wassers wird deine Sorgen aufnehmen und sie hinab zum Meer tragen.
Das Lesen liegt an der Schwelle des geistigen Lebens; es kann uns darin einführen, aber es ist nicht dieses Leben.
Vielleicht haben wir von allen Kindheitstagen diejenigen am intensivsten durchlebt, von denen wir glaubten, wir hätten sie nutzlos vertan: die nämlich, die wir mit der Lektüre eines Lieblingsbuches verbrachten.
Man kann von einem Leiden nicht genesen, wenn man es nicht in ganzer Stärke durchlebt.
Um verzweifelt zu sein, muß man am Leben, auch wenn es nur noch unglücklich sein kann, gleichwohl und trotz allem hängen.
Nichts geschieht so wie wir es fürchten, noch so, wie wir es hoffen. Aber alles geschieht, so wie wir es wollen.
Das egozentrische Wesen im Menschen […] gestattet einem jeden, zu seinen Füßen das Universum gestaffelt liegen zu sehen, in welchem er König ist.
Die eigentlichen Entdeckungsreisen bestehen nicht im Kennenlernen neuer Landstriche, sondern darin, etwas mit anderen Augen zu sehen.
Alles Große in dieser Welt stammt von Neurotikern. Sie allein haben unsere Religionen begründet und unsere Meisterwerke geschaffen.
Die Gewohnheit ist eine zweite Natur: sie hindert uns, die Enge kennenzulernen, deren Grausamkeiten und deren Zauber sie nicht hat.
Die Zeit, die wir jeden Tag zur Verfügung haben, ist elastisch; die Leidenschaften, die wir fühlen, dehnen sie aus, die, die wir erregen, ziehen sie zusammen; und Gewohnheit füllt den Rest aus.
Zweifellos findet jedesmal, wenn wir eine Person wiedersehen, zu der unsere – auch noch so belanglosen – Beziehungen sich geändert haben, eine Gegenüberstellung zweier Epochen statt.
Die besten Entdeckungsreisen macht man nicht in fremden Ländern, sondern indem man die Welt mit neuen Augen betrachtet.
Wenn wir in eine Frau verliebt sind, versetzen wir einfach einen Zustand unserer Seele in sie hinein. Infolgedessen ist nicht der Wert der Frau, sondern das Niveau unseres Zustandes einzig von Wichtigkeit.
Kränkliche Menschen leben oft lange. Das ist kein Wunder, denn sie sind darin geübt, auf den Tod zu warten, der sich Zeit läßt.
Schweigen ist nicht nur Nicht-Sprechen, sondern bewußtes Erleben der Stille, Ausschwingung der Erregungen und Bewegungen, körperlich und innerlich. Man sammelt sich, gewinnt Kraft und kommt wirklich zu sich selbst.
Wohl ist ihre Seele, wie Tolstoi sagt, ein dunkler Forst. Aber die Bäume sind von besonderer Art, es sind Stammbäume.
Das Entscheidende im Leben ist nicht die Person, die man liebt, sondern die Tatsache, daß man liebt.
Laßt uns dankbar sein gegenüber Menschen, die uns glücklich machen. Sie sind die liebenswürdigen Gärtner, die unsere Seele zum Blühen bringen.
Der betäubende Einfluß der Gewohnheit schwand dahin; so fing ich an, so traurige Dinge zu denken und zu fühlen.
Wir bringen es zwar nicht fertig, die Dinge unseren Wünschen entsprechend zu ändern, doch ändern sich mit der Zeit unsere Wünsche.
Fast alle Träume antworten auf Fragen, die wir uns stellen, mit einer verwickelten Inszenierung, bei der sich die Antwort auf Personen verteilt, die das Licht des folgenden Morgens nicht mehr erblicken.
Ein Buch ist ein optisches Instrument, das der Autor dem Leser reicht, damit er sich selber klarer zu sehen vermöge.
Es gibt Leiden, von denen man die Menschen nicht heilen soll, weil sie der einzige Schutz gegen ernstere sind.
Die Wahrheit wandelt sich in uns so stark, daß die anderen Mühe haben, sich darin auszukennen.
Glücklich, für den, wie nahe sie auch zusammenliegen mögen, dem die Stunde der Wahrheit vor der des Todes schlägt.
Deine Seele ist ein dunkler Wald. Aber die Bäume sind von besonderer Art: genealogische Bäume.
Das einzige, was noch schwieriger ist, als ein geordnetes Leben zu führen: es anderen nicht aufzuzwingen.
Man hat gesagt, daß die Schönheit ein Versprechen von Glück ist. Umgekehrt kann auch die Möglichkeit der Freude der Beginn von Schönheit sein.