Zitate von Charles de Secondat
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Es ist ein Jammer, daß die Spanne immer so kurz ist zwischen der Zeit, wo man zu jung ist und jener, wo man zu alt ist.

Nichts ist so mächtig als eine Republik, in der man die Gesetze – nicht aus Furcht – sondern aus Neigung beobachtet.

Keine Arbeit ist so beschwerlich, daß man sie nicht der Kraft dessen, der sie verrichtet, anpassen könnte, vorausgesetzt, daß die Vernunft und nicht die Habsucht sie regelt.

Jeder arbeitet an seinem Geist, nur wenige am Herzen, denn die neu erworbenen Erkenntnisse spüren wir deutlicher als die neu errungene Vollkommenheit.

Oft kritisiert man seine Freunde, um nicht den Anschein zu erwecken, als hätte man ihre Fehler nicht durchschaut.

Man muß die Hälfte seiner Zeit vertun, um mit der anderen etwas anfangen zu können.

Jedes träge Volk ist ernst; denn die, welche nicht arbeiten, betrachten sich als die Gebieter derer, die arbeiten.

Nichts trägt zur Erhaltung guter Sitten mehr bei als die strengste Unterordnung der Jugend unter das Alter. Beide Teile werden dadurch in Schranken gehalten. Jene durch die Ehrerbietung, die sie den Alten erweisen muss, diese durch die Achtung, die sie vor sich selbst haben müssen.

Eine in Knechtschaft verfallene Nation strebt mehr, das Erworbene zu erhalten, als zu erwerben; eine freie im Gegenteil trachtet mehr zu erwerben, als zu erhalten.

Die Blätter fallen jeden Winter von den Bäumen. Fünf oder sechs bleiben am Baum hängen und werden zum Spielball der Winde.

Eine ewige Erfahrung lehrt, daß jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu mißbrauchen. Es geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt.

Glück ist dem Menschen gefährlicher als Unglück. Dieses hält ihn wachsam, jenes macht ihn gleichgültig.

Man müßte die Menschen von dem Glück überzeugen, das sie nicht sehen, selbst wenn sie es genießen.

Wenn mir die Last der Schmerzen, des Elends und der Verachtung unerträglich wird, warum will man mich hindern, meinem Leiden ein Ende zu machen, und mich grausam eines Heilmittels berauben, das ich in den Händen habe?

In meiner Tätigkeit bin ich Bürger meines Landes, aber wenn ich schreibe, bin ich ein Mensch. Ich bin notwendigerweise Mensch, Staatsbürger aber nur durch Zufall.

Der Handel verdirbt die reinen Sitten, und dies war der Gegenstand der Klagen Platos; aber er verfeinert und mildert, wie wir täglich sehen, die rohen Sitten.

Ein durch Waffengewalt gegründetes Reich muß sich auch durch die Waffen erhalten.

Ein schlechtes Gesetz verpflichtet den Gesetzgeber, viele andere zu erlassen, die oft auch sehr schlecht sind, um schlechte Wirkungen zu vermeiden oder wenigstens den Zweck des ersten zu erreichen.

Man muß viel Geist haben bei der Unterhaltung mit Fürsten, denn da es Leute sind, deren Ruf schon feststeht, so darf man ihnen, wenn man sie lobt, nur das sagen, was auch die Zuhörer denken können.

Wenn man mich je beschuldigen würde, die Türme von Notre Dame gestohlen zu haben, würde ich mich anschicken zu fliehen.

Wenn die Schönheit nach der Herrschaft verlangt, gebietet der Verstand deren Verweigerung. Und wenn der Verstand sie erwerben könnte, ist die Schönheit dahin.

In einem Staat, das heißt in einer Gesellschaft, in der es Gesetze gibt, kann Freiheit nur darin bestehen, das tun zu können, was man wollen darf. Freiheit ist das Recht, alles zu tun, was die Gesetze erlauben.

Die Behauptung, daß nichts gerecht oder ungerecht sei, als was die gegebenen Gesetze befehlen oder verbieten, ist ebenso unwichtig, als wenn man sagen wollte, daß nicht alle Halbmesser gleich wären, bevor man einen Kreis gezogen hätte.

Man ist glücklich, wenn man eine Sache erstrebt, obgleich die Erfahrung lehrt, daß die Sache selbst nicht glücklich macht; aber uns genügt die Illusion. Der Grund hierfür liegt darin, daß unsere Seele eine Abfolge von Gedanken ist.

Wer ist glücklich? Die Götter wissen es, denn sie blicken ins Herz der Weisen, der Könige und der Hirten.

Man will nicht nur glücklich sein, sondern glücklicher als die anderen. Und das ist deshalb so schwer, weil wir die anderen für glücklicher halten, als sie sind.

Es klingt wie Spott, einen Schmerz durch die Erwägung, daß man zum Leiden geboren sei, besänftigen zu wollen.

Es gibt Menschen, die sich für den Mangel eines Talents dadurch entschädigen, daß sie es verachten. Sie reißen die Scheidewand nieder, welche sie von dem Verdienste trennt, und auf solche Art finden sie sich denen gleichgestellt, deren Anstrengungen sie fürchten.

Die meisten Frauen urteilen über Verdienst und gutes Aussehen eines Mannes nach dem Eindruck, den sie davon haben, und gestehen dem, für den sie nichts empfinden, kaum das eine noch das andere zu.

Ein Ehemann hat selten einen Nebenbuhler, den er nicht selbst einmal seiner Frau wie ein Geschenk von eigener Hand dargeboten hätte.

Es gehört nicht viel Geist dazu, alles zu verwirren, viel aber, alles auszugleichen.