Christian Morgenstern Zitate
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Mir genügt zur Zeit das Schwatzen der Seevögel, das leise Sich-Wiegen des stachlichen Strandhafers, ein wenig durch die Finger rinnender Sand und die graublaugrüne Fläche vor mir mit ihrer seltsamen Unbedingtheit.
Christian MorgensternMan soll sein krankes Nierenbecken nicht mit zu kalten Bieren necken. Auch sollte man bei Magenleiden den Wein aus sauren Lagen meiden.
Christian MorgensternDen Charakter eines Menschen erkennt man an den Schmerzen, die er übelnimmt.
Christian MorgensternMan muß nicht am Abend Briefe schreiben, sonst werden es Abendbriefe. Morgens sieht alles ganz anders aus.
Christian MorgensternSie sollten gerade da, wo Sie besondere Antipathie empfinden, doppelt streng gegen sich selbst vorgehen, nicht aber Ihrer Antipathie nachlaufen wie der Student seiner Flamme.
Christian MorgensternO ihr, an so viel „letztem Wissen“ Leidenden, wie seid ihr oft instinktlos im Entscheidenden!
Christian MorgensternMachen wir uns doch von der Tyrannei der Geschichte frei. Ich sage nicht: von der Geschichte, ich sage: von der Tyrannei der Geschichte.
Christian MorgensternIn vielen Fällen wäre der gerade Weg der kürzeste – zum Verderben.
Christian MorgensternWie vieles wird zu jeder Frist verhütet – bedachten wir schon einmal dies zu Ende? Wie viel geschieht nicht, was geschehen könnte!
Christian MorgensternEin Hauptzug aller Pädagogik: Unbemerkt führen.
Christian MorgensternAlle wahrhaft großen Dichtungen sind Variationen zum Schicksalsliede, seien es Maestosi, Allegri oder Scherzi.
Christian MorgensternNapoleon war ein Naturereignis. Ihn einen großen Schlächter schmähen heißt nichts anderes, als ein Erdbeben groben Unfug schelten oder ein Gewitter öffentliche Ruhestörung.
Christian MorgensternOft überfällt dich plötzlich eine heftige Verwunderung über ein Wort: Blitzartig erhellt sich dir die völlige Willkür der Sprache, in welcher unsere Welt begriffen liegt, und somit die Willkür dieses unseres Weltbegriffes überhaupt.
Christian MorgensternDer Mann mit Luftballons: Ideale! Kauft Ideale!
Christian MorgensternWir sind geborene Polizisten. Was ist Klatsch anderes als die Unterhaltung von Polizisten ohne Exekutivgewalt.
Christian MorgensternGingganz ist einfach ein deutsches Wort für Ideologie.
Christian MorgensternDie Sitte des In-den-April-Schickens ist bei uns lange nicht genug verbreitet und geübt. Der erste April müßte ein wahrer Festtag für die Nation werden, ein Dies Saturnalius – in jedem Falle ein liebenswürdigerer Feiertag als mancher offizielle.
Christian MorgensternUnter bürgerlich verstehe ich das, worin sich der Mensch bisher geborgen gefühlt hat. Bürgerlich ist vor allem unsere Sprache: Sie zu entbürgerlichen die vornehmste Aufgabe der Zukunft.
Christian MorgensternWenn ich etwas an Christus verstehe, so ist es das: „Und er entwich vor ihnen in die Wüste.“
Christian MorgensternDoch die Wissenschaft, man weiß es, achtet nicht des Laienfleißes.
Christian MorgensternDas von selbst Verständliche wird gemeinhin am gründlichsten vergessen und am seltensten getan.
Christian MorgensternIch bin ein Studienkopf, den der Schöpfer einst flüchtig skizzierte, als ihm ein Künstlerportrait im Sinne lag.
Christian MorgensternProblem Es flog ein Stein so weit, so weit – und hatte doch kein Federkleid! Es war ihm ja zu gönnen. Indessen rechte Seltsamkeit, Daß Steine fliegen können!
Christian MorgensternWas braucht ein Volk für Gönner? Wahrheit-sagen-Könner.
Christian MorgensternEin ander Mal Drei Rehe stehn wie eine Gruppe starr – wird er vorübergehn, der fremde Narr? Er wird vorübergehn, liebreizend Bild; er ist ein Jäger nur auf Seelenwild
Christian MorgensternDer Weise verzichtet auf alles, worauf sich irgend verzichten läßt; denn er weiß, daß jedes Ding eine Wolke von Unfrieden um sich hat.
Christian MorgensternMut, Mut, Mut, das fehlt dem sogenannten denkenden Wesen, dem Mensch – als denkendem Wesen – am meisten.
Christian MorgensternIch habe oft bemerkt, daß wir uns durch allzuvieles Symbolisieren die Sprache für die Wirklichkeit untüchtig machen.
Christian MorgensternVon Hundert, die von „Menge“, von „Herde“ reden, gehören neunundneunzig selbst dazu.
Christian MorgensternWer nicht auch böse sein kann – kann der wirklich tief sein?
Christian MorgensternMein nächstes Buch soll „Auferstehung“ heißen, wenn mir noch eine Auferstehung beschieden sein sollte, im größten Sinne.
Christian MorgensternWenn ich das Gegenwärtige nicht so liebte, wenn ich diese Liebe nicht hätte wie einen großen und sicheren Fallschirm, ich wäre längst ins Bodenlose gefallen.
Christian MorgensternSo wie der winzige Same in die Erde fällt, um die Urpflanze zu wiederholen – und nicht nur zu wiederholen – so ist der Mensch ein Samenkorn Gottes. Die Sonne aber, die ihn reift, ist Christus.
Christian MorgensternIch habe heute ein paar Blumen für dich nicht gepflückt, um dir ihr Leben mitzubringen.
Christian MorgensternIm Sohn will die Mutter Mann werden.
Christian MorgensternBeim Dialekt fängt die gesprochene Sprache erst an.
Christian MorgensternZitate sind Eis für jede Stimmung.
Christian MorgensternJeder Jüngling mag von sich denken, er sei der Messias, aber er muß nicht Messias sagen, sondern nur Messias tun.
Christian MorgensternUnser Bestes sind nicht unsere Werke. Das liegt oft in einem Blick von uns, in einem Gedanken, um dessentwillen wir uns selbst lieben möchten und um den doch niemand je weiß.
Christian MorgensternDie hohen Tannen sprechen: Wir sind nicht traurig und nicht fröhlich, wir sind fest.
Christian MorgensternNur im vorbereiteten Herzen kann ein neuer Gedanke Wurzeln fassen und groß werden. Sich vorbereiten, sich zubereiten, den Acker lockern für das beste Korn, ist alles.
Christian MorgensternDie Selbstachtung einer Katze ist außerordentlich.
Christian MorgensternJeder kann von Christus etwas fortnehmen. Verstehen aber wird ihn alle fünfzig Jahre – vielleicht – Einer.
Christian MorgensternIch habe den verwandelnden Blick.
Christian MorgensternWenn dich jemand „vollkommen versteht“, sei gewiß, daß dich niemand vollkommener mißversteht.
Christian MorgensternWie könnten wir die große Selbstkorrektur des Lebens anders als ahnungsvoll verfolgen?
Christian MorgensternDer kann von Liebe nicht reden, dem sie nimmer Verlust und Gewinn war – dem sie nie irgendwann der Sinn war von allem und jedem.
Christian MorgensternKönnen wir leugnen, daß wir innerlich an allem noch irgendwie teilhaben, was an Bösem außer uns geschieht?
Christian MorgensternDie kleinen Schwächen legt man am schwersten ab, so wie man der Moskitos schwerer Herr wird als des Skorpions oder der Schlange. Und so ist es recht eigentlich das Kleine, was den Fortschritt der Menschheit aufhält: Gedankenlosigkeit, Unaufmerksamkeit, Trägheit, Lauheit.
Christian Morgenstern…je mehr Du für das Allgemeine getan haben wirst, desto mehr hast Du für Dich selbst getan.
Christian Morgenstern