Zitate von Heinrich Lhotzky
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Uns steht eine menschliche Vollkommenheit deutlich vor Augen, aber wir haben sie nicht. Das kann nur daher kommen, daß die gerade Linie der Entwicklung durch uns hindurchgeht, daß sie aber ihr Ziel noch immer nicht erreicht hat.

Manche Menschen sind in ihrem augenblicklichen Zustande wie wilde Tiere und gebärden sich auch so. Solche muß man nicht ohne weiteres streicheln, sondern es ist unter Umständen recht gut, wenn Gitter zwischen uns liegen. Die müssen die Menschen aufrichten, denn die Bestien tun’s nicht.

Zwei Menschen können zu verschiedenen Zeiten genau Entgegengesetztes tun und sagen und sich doch innerlich eins wissen, und man kann andre genau nachahmen und gerade das Gegenteil von dem ausführen, was jener Sinn ist.

Wer an die Not glaubt und verzagt, den zerdrückt sie von Stund an. Wer an die Hilfe glaubt und nicht verzagt, der zertritt die Not auch von Stund an.

Niemals sollte man irgendein Spiel, das Kinder sich ausgedacht haben, verachten oder belachen, sondern ihnen immer vollen Ernst entgegenbringen. Bedenke doch, sie sind Erfinder! Sie bekunden sich in ihren Spielen als freie, denkende Geister.

Überall, wo Menschen denken und arbeiten, da wehren sie sich gegen das Böse, gegen das Leid, gegen den Tod, für das Leben.

Wer statt der Wahrheit die Bequemlichkeit für sein Leben hält und dieses Leben sucht, der wird’s verlieren, wem’s aber auf sein Lebern nicht ankommt, sondern nur auf seine Wahrheit, der wird’s finden.

Wir werden doch, auch wenn wir nicht jederzeit die Kurve unserer Fortschritte zeichnen können.

Als Paulus sich bekehrt hatte und voll Feuereifers die neue köstliche Wahrheit zu predigen begann, wurde er nicht der große Apostel, sondern mußte nach Arabien und nach Tarsus an den Webstuhl, und wo du selbst Großes, Göttliches zu erleben gewürdigt bist, mach dich auf tiefe Demütigungen gefaßt.

Die Kleinheit der Ursache von Furcht ist ein Maß für die Größe der Entfernung von Gott.

Aber was es heute geben kann und muß, sind Menschen, die ein Ort sind der Versöhnung und des Erbarmens.

Viele Menschen schweben beständig in selbstbereiteten Vorstellungsreihen und diese, nicht die Unzulänglichkeit anderer Leute, sind die erste Quelle ihrer Schmerzen.

Liebe ist weder ein Erzeugnis des Verstandes noch der Religion. Sie ist das eigentliche Wesen des Menschen, das gleichmäßig sein sinnliches, seelisches und geistiges Wesen umspannt und in die Vollkommenheit rückt.

Reichtum beglückt, wenn wir ihn besitzen, und macht tief unglücklich, wenn er uns besitzt.

Es ist einer der verhängnisvollsten Irrtümer der Geschichte, Jesus mit dem Christentume in Verbindung zu bringen. Der Christus hat mit dem Christentume gerade so viel gemein wie Jesus mit dem Jesuitismus – den Namen, aber nicht das Wesen.

Alle Siege, die ein Mensch erringt, alle Leistungen, die er vollbringt, müssen vorher im Geiste fertig sein und treten im entscheidenden Augenblick nur heraus in die sichtbare Wirklichkeit. Ist innerlich alles vollendet, so gibt’s weder Furcht noch Zweifel. Das Mißlingen ist ja schon überwunden.

Alles Langweilige ist ungöttlich. Denn was göttlich ist, ist voller Leben, das Leben aber ist nie langweilig. Langeweile ist der Tod.

Menschen zu helfen, ist doch der einzige Gottesdienst, den es gibt. Mit nichts kann der Mensch sonst Gott einen Dienst erweisen. Aber damit kann er’s wirklich. Damit allein.

Die Not liegt nur in der stofflichen Welt. Jenseits ist unerschütterliche Sicherheit.

Sei du! Sei gar nichts anderes, nichts Hohes, nichts Tiefes, nichts Glänzendes und nichts Scheinendes, sei nur du selbst!

Es ist unerhört schwer, neue Wege wirklich zu gehen, nicht bloß neue Gedanken auszusprechen.

Die Wahrheit ist kein Lehrgefüge, an das man sich halten könnte, sondern eine Summe von Leben.

Nichts erregt und nichts dämpft so schnell Angriffe als Gewährenlassen. Nur muß dieses freilich aus der Kraft, nicht aus der Schwächlichkeit kommen.

Was uns trifft, solange wir ihm ausweichen wollen, verbittert und beschwert uns, was wir aber selbst auf uns nehmen, ist von Stund‘ an nicht mehr schwer.

So ist das Göttliche: Es ist unglaublich einfach, aber unergründlich. Es kann nur erlebt, aber niemals erklärt werden. Wer jemals ein Tun Gottes erklärt hat, ist in Irrtum geraten, aber verständlich ist’s ohne Erklärung für jedermann, der in sein Erleben hineingestellt ist.

Es gibt kaum ein besseres Erkennungszeichen für Menschen als ihr Verhalten zu Kindern.

Jammere ein wenig, wenn deine Kraft erlahmt, aber nur ja nicht zu lange. Falle hin, aber stehe sobald als möglich wieder auf. Weine nur, aber vergiß ja das Lachen nicht.

Das Himmelreich ist wie das Salz. Es verschwindet völlig, wenn es zur Wirksamkeit gelangt, man sieht’s nicht, aber man schmeckt es, und wo es in der Welt ist, da bewahrt es die Welt vor Fäulnis.

Das Himmelreich ist das Land der Freiheit und Unmittelbarkeit. Die dafür Sinn haben, sind Himmelreichsleute.

Mach nie die Augen zu vor irgendeinem Schrecken, sondern stell zu allererst seinen ganzen Umfang fest. Jeder Schrecken ist begrenzt. Es gibt keine unbegrenzte Not.

Treue gegen sich selbst, Unabhängigkeit nach außen, das ist das Ja und Nein der Freiheit.

Der Weg zur Vollkommenheit bedeutet eine Entdeckungsreise in das Land des Guten und Wahren.

Je wahrer, je klarer und einfacher ein Mensch ist, desto nachdrücklicher wird er sich auswirken. Je gekünstelter, je geschraubter und absichtlicher sich jemand gibt, desto mehr schrumpft sein Wirkungskreis zusammen.

Wenn etwa Gott fragen würde: Mein Kind, was wünschst du am heißesten?, und die Antwort käme unwillkürlich, selbstverständlich und wahr: zum ersten Deins, zum zweiten Deins, und dann immer wieder Deins. Das wäre gebetet.

Einfachheit ist immer das Kennzeichen des Göttlichen, das Verwickelte leidet immer an innerer Unwahrheit.

Die Dinge wollen ihrer Natur nach durch Geist regiert und geleitet sein, sonst folgen sie ihren Gesetzen, und der arme Mensch wird von ihnen mitgeschleppt und gerät unter die Herrschaft der Dinge.