Alfred Polgar Zitate
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Auch eine stehengebliebene Uhr kann noch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigen; es kommt nur darauf an, dass man im richtigen Augenblick hinschaut.
Für die meisten Menschen ist das Leben ein schlechtes Wetter; sie treten unter und warten, bis es vorüber ist.
Das Verhältnis zur Geliebten steht unter beständigem Druck einer zweifachen Angst: der Angst, dass es enden, und der Angst, dass es dauern könnte.
Der Kritiker lässt den Künstler, den er nicht versteht, das fühlen. Er behandelt ihn sehr von unten herab.
Roulettespieler sind in zwei Kategorien einzuteilen. Die einen spielen zum Vergnügen, die anderen, weil sie das Geld brauchen. Zwangsläufig geht irgendwann die erste Kategorie in die zweite Kategorie über.
Der kleine Sohn des Bankiers hat eine Eisenbahn bekommen, mit Drehscheibe. Jetzt spielt er den ganzen Tag Generaldirektor.
Die literarische Polemik – fünfundneunzig Prozent aller solcher Händel sind persönlicher Natur, die übrigen fünf hingegen sind es auch.
In den meisten Bühnenstücken fußt der Dialog auf der falschen Annahme, daß die Menschen einander ausreden lassen. Wo gibt es das im Leben?
Von andern Pflanzen unterscheiden sich Schauspieler dadurch, dass sie eintrocknen, wenn sie nicht in die Presse kommen.
Die Menschen glauben viel leichter eine Lüge, die sie schon hundertmal gehört haben, als eine Wahrheit, die ihnen völlig neu ist.
Weibliche Fürsorge hat etwas Erschreckendes: heute geht sie ans Hemd, morgen an die Haut, übermorgen unter die Haut.
Der Deckel eines Buches unterscheidet sich vom Deckel eines Sarges manchmal nur dadurch, daß man ihn gelegentlich aufschlägt.
Manchmal muss man im Leben zwischen dem guten Ruf und dem Vergnügen wählen – und stellt fest, dass der gute Ruf kein Vergnügen ist.
Schade, dass die meisten sofort aufhören zu rudern, sobald sie ans Ruder gekommen sind.
Es ist sehr schwierig, Menschen hinters Licht zu führen, sobald es ihnen aufgegangen ist.
Der rechte Satiriker zieht, was er ins Lächerliche zieht, mit dem gleichen Griff auch ins Ernsteste.
Es hat sich bewährt, an das Gute im Menschen zu glauben, aber sich auf das Schlechte zu verlassen.
Der Witz ist das Niesen des Gehirns. Dabei ist ein immer witziger Mensch genauso unausstehlich und unappetitlich wie ein Kerl mit chronischem Schnupfen, aber ohne Taschentuch.
Ob zwei verheiratet sind, hast du bald heraus. Gehen sie miteinander ins Wasser, dann sind sie ein Liebespaar. Geht er allein, und sie allein, dann sind sie verheiratet. Ruft er ihr nach Schwimm‘ aber nicht zu weit hinaus, dann sind sie’s noch nicht lange.
Dieser unvergleichliche Ringelnatz hat den Stein der Narren entdeckt, welcher dem der Weisen zum Verwechseln ähnlich sieht.
Polemiken müssen sein, zumal in der Zeitung, die ja ihren Lesern Unterhaltung schuldet. Wenn da zwei sich streiten, freuen sich Tausende. Polemiken zwischen Schriftstellern sind besonders erquickend, weil sie mit besonderer Bosheit geführt werden.
Mancher hat Opern und Sinfonien geschrieben und lebt doch nur weiter in einer Fußnote.
Wien bleibt Wien – und das ist wohl das Schlimmste, was man über diese Stadt sagen kann.
Erfahrungen stehen wie Kreuze Über Begrabenem. Je mehr deine Landschaft verkirchhoft, desto klüger wirst du.