Christian Morgenstern Zitate
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Was wäre wohl aus der Welt geworden, wenn alle zum Mitschaffen Aufgerufenen immer gleich „schnurstracks“ auf ihr Ziel losgegangen wären. Alle Weisheit ist langsam, alles Schaffen ist umständlich.
Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht.
In dem Moment, wo jeder bei sich anfinge, wäre die schönste Zukunft vorweggenommen.
Im Menschen vollendet sich und endet offenbar die Erde. Der Mensch – ein Exempel der beispiellosen Geduld der Natur.
Dieser Norden! Da wacht man in der verheißendsten Stimmung auf. Griesgrämig, grau, teilnahmslos ruhen die großen Augen der Fenster auf dir, als wollten sie sagen: wozu regst du dich so auf? was willst du mit deinen törichten Idealen? Alles ist eitel.
Zwischen Weinen und Lachen schwingt die Schaukel des Lebens, zwischen Weinen und Lachen fliegt in ihr der Mensch.
Der eine lebt, der andere schreibt sich aus. Das erste Dokument der Kultur war – ein Tagebuch.
Das Letzte, was wir miteinander erleben, ist schließlich doch das Schmerzlichste.
Wenn dich die Menschen nicht absichtlich verwunden, so tun sie’s gewiß aus Ungeschicklichkeit.
Es ist eigentlich eine Ungerechtigkeit, daß der Dichter nicht – gleich dem Musiker – den Teilen seiner Werke hinzufügen darf, in welchem Tempo er sie genommen wissen will.
Alle Geheimnisse liegen in vollkommener Offenheit vor uns. Nur wir stufen uns gegen sie ab, vom Stein bis zum Seher. Es gibt kein Geheimnis an sich, es gibt nur Uneingeweihte aller Grade.
Wer sich selbst auch nur Einen geistig regen Vormittag streng beobachtet, dem muß das scheinbare Filigran der Psychologie vorkommen, wie ein Gespinst aus Baumstämmen.
Ich betrachte es als eine Aufgabe kommender Dichtergeschlechter, neue Mythen zu schaffen, und wir wollen ihnen schon vorarbeiten.
Unhemmbar rinnt und reißt der Strom der Zeit, In dem wir gleich verstreuten Blumen schwimmen, Unhemmbar braust und fegt der Sturm der Zeit, Wir riefen kaum, verweht sind unsre Stimmen.
Habt das Leben bis in seine unscheinbarsten Äußerungen hinab lieb, und ihr werdet bis in eure unscheinbarsten Bewegungen hinab unbewusst von ihm zeugen.
Inmitten unzähligem Hin- und Herreden der Einzelnen wächst still und groß das ewige Weisheitsgut der Menschen weiter.
Es ist schön, zu denken, daß so viele Menschen heilig sind in den Augen derer, die sie lieben.
Alles würde leichter und besser werden, wenn wir in uns den Menschen nicht fortwährend und hartnäckig verdeckten.
Man hat Hegel verspottet, weil er sagte, aus ihm rede der Weltgeist. Ach, auch aus ihnen, den Spöttern, redet leider nichts anderes.
Wer weiß, ob die Gedanken nicht auch einen ganz winzigen Lärm machen, der durch feinste Instrumente aufzufangen und empirisch (durch Vergleich und Experiment) zu enträtseln wäre.
Alles Denken ist wesentlich optimistisch. Der vollendete Pessimist würde verstummen und – sterben.
Die meisten wissen gar nicht, was sie für ein Tempo haben könnten, wenn sie sich nur einmal den Schlaf aus den Augen rieben.
Wie sollte man wohl leben, wenn man nicht fortwährend bei sich wie bei den anderen hunderterlei Krumm gerade sein ließe.
Eine wenn auch noch so leichte Sentimentalität gehört unstreitig zum Charme jeder Frau. Sie ist die Verbürgerin jener Augenblicke, wo wir ihr ganz Schutz, ganz Ruhe, ganz Meer sein dürfen.
Den Puls des eigenen Herzens fühlen. Ruhe im Innern, Ruhe im Äußern. Wieder Atem holen lernen, das ist es.
Es gibt kaum eine größere Enttäuschung, als wenn Du mit einer recht großen Freude im Herzen zu gleichgültigen Menschen kommst.
Es gibt nichts Hemmenderes als Gemeinplätze und Redensarten. Jede Redensart ist die Fratze eigener Gedanken, ein Mitesser im Zellengewebe des Denkers.