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Zu sagen, was man nicht denkt, ist immer Unrecht; alles zu sagen, was man denkt, ist meist töricht.
Fanny LewaldWer sich einen Baum groß zieht, dem gehört der Baum, der kann damit schalten und walten, wie's ihm gutdünkt, und wenn der Baum von sich wüßte, wie ein Mensch, so müßt's ihm recht und lieb sein, wenn sein Herr sich an ihm freut.
Fanny LewaldEs ist einem Volke viel damit gegeben, wenn man seine Jugend zur Verehrung des Großen, des Wahren, Schönen und Edlen gewöhnt, und zwar zur sichtbaren betätigten Verehrung, denn nur aus solcher bildet sich das Gemeingefühl und das Gefühl der Zusammengehörigkeit als Volk.
Fanny LewaldEs ist schön zu sehen, daß einem Menschen, der mit festem Willen und reiner Überzeugung seinen eigenen Weg geht, eben fast alles möglich ist.
Fanny LewaldBei lebhaften Menschen und Völkern sind Ruhe und Schweigen das sicherste Zeichen der Reife.
Fanny LewaldIm allgemeinen unterschätzt man das Liebesleid der frühen Jugend, weil man es so leicht vergessen sieht.
Fanny LewaldEs ist nicht jeder Mensch geboren, frei zu sein, denn es gibt Personen, die vortrefflich sind, wenn sie dienen und gehorchen müssen und unbrauchbar, wie sie in freier Selbstbestimmung handeln sollen - Männer so wie Frauen.
Fanny LewaldJede Erfindung, welche dem Menschen die Mühe einer mechanischen Arbeit abnimmt, erweitert für ihn die Möglichkeit seines geistigen freien Schaffens und Wirkens und gestattet ihm damit eine Ausnutzung seines Lebens, welche einer Verlängerung desselben gleichkommt.
Fanny LewaldWir müssen eigentlich noch nahe genug an unsern Irrtümern und Fehlern stehen, um sie liebenswürdig und in dem Grade reizend zu finden, daß wir uns lebhaft damit abgeben, jene Zustände wieder in uns hervorrufen, unsere Mängel mit Nachsicht betrachten und mancher Fehler uns nicht schämen mögen.
Fanny LewaldGesundheit ist Glück, so sagt der Kranke - Reichtum ist Glück, sagt der Arme, Weisheit ist Glück, sagt der Philosoph - und sie haben alle Recht. Unglück aber ist gewiß, das nicht erreichen zu können, was man bedarf.
Fanny LewaldDie Ehre einer Frau muß durch keinen Verdacht angetastet werden; eine Frau muß auch den Schein eines Tadels zu vermeiden suchen.
Fanny LewaldKein Menschenleben ist so arm, daß die Liebe mit ihrem himmlischen Strahl es nicht einmal erleuchtet hätte.
Fanny LewaldSeine Individualität wahren muß man immer, denn was sich nicht durch immer neue Selbsttätigkeit erhält, löst sich auf nach dem allgemeinen Gesetz des Werdens und Vergehens.
Fanny LewaldMan kann den Frühling im Jahre nicht festhalten, aber man kann jung bleiben in der Seele bis an sein Ende, wenn man die Liebe lebendig erhält in seinem Herzen für die Menschen, die der Liebe würdig sind, und das Auge offen behält für das Schöne, Große, Gute und Wahre.
Fanny LewaldIn dem festen Zusammengehören, in dem Bewußtsein der Dauer liegt die Heiligkeit, die Schönheit der Ehe, die uns das Leid gemeinsam leichter tragen, Freude doppelt genießen läßt und die vollste, edelste Entwicklung der menschlichen Natur zur Blüte bringt.
Fanny LewaldWem man das Gefühl seiner Verantwortlichkeit nimmt, dem nimmt man das Gefühl seiner Bedeutung.
Fanny LewaldDie Jugend hat ein solches Bedürfnis, froh des Lebens zu genießen, ein so heiliges Recht auf Freude, daß man sie darin nicht vorzeitig verkürzen sollte.
Fanny LewaldEs liegt im Charakter der Frauen, sich in unabwendbare Verhältnisse leichter zu fügen, als man es nach der Unruhe, die sie vor der Entscheidung peinigt, für möglich halten sollte.
Fanny LewaldDie meisten Eltern und Erzieher leben der Ansicht, daß die Sittlichkeit der Jugend beider Geschlechter am besten durch Nichtwissen bewahrt werde.
Fanny LewaldUm mit Behagen müßig zu gehen, muß man zu zweien sein, und womöglich einander lieben. Für einen allein, auch wenn man viel zu denken und Geist genug hat, ist der Müßiggang ein ermüdendes Stück Arbeit.
Fanny LewaldEs ist unglaublich, wieviel Klugheit man braucht, um eine Dummheit auszugleichen, und wie eine Dummheit lange Klugheit zu Schande macht.
Fanny LewaldDas Gefühl des Rechts macht groß, edel, frei, nachsichtig - Rechte haben macht egoistisch, mißtrauisch und unduldsam. Dies zeigt sich in allen staatlichen und privaten Verhältnissen, in der Familie, in der Ehe, in der Liebe.
Fanny LewaldWenn die Leute sich nur halb so viel Rechenschaft über ihr eigenes Leben geben wollten, als über das Leben der anderen, so würden sie sich des Ratgebens meist enthalten.
Fanny LewaldWas man in der Fülle des Glückes, in voller, freier Sicherheit zurückweist, das ersehnt man in der Stunde der Gefahr.
Fanny LewaldDie Meinung, die uns umgibt, das Urteil, welches man über den Menschen fällt, wirken unmerklich, aber bestimmend auf ihn ein, wie das Licht und die Luft, die er beständig sieht und atmet.
Fanny LewaldDie Liebe der Kinder für die Eltern gedeiht am sichersten auf dem Untergrund der Ehrfurcht - die blinde Unterordnung des Kindes unter das elterliche Gebot ist die unerläßliche Vorbereitung unter das Gesetz und unter das Gebot des eigenen Gewissens.
Fanny LewaldEine erlittene unverdiente Beleidigung zu verzeihen, ist nicht Größe - sondern Ehrlosigkeit.
Fanny LewaldEs ist gar zu verlockend für die rohen Massen, zügellos zu sein und keine Gewalt über sich anzuerkennen, als die eigene blinde Willkür.
Fanny LewaldMitleiden ist den trägen und geschäftigen Egoisten eine so angenehme Sache, weil es eine passive Tätigkeit, ein beschäftigter Müßiggang ist.
Fanny LewaldDie Jugend ist die Zeit der Freude, mag sie genießen, soviel sie kann. Zum Leiden findet sie immer später noch Raum im Leben und es bleibt nicht aus. Aber gerade darum muß man uns schon in der Jugend unseren Anteil an den Leiden nicht nehmen, wir lernen sonst nicht, sie zu ertragen, wie wir sollen.
Fanny LewaldDer höchste Grad des Egoismus, der weniger selten ist, als man glaubt, ist die Stufe, auf welcher man es bis zur Selbstverleugnung bringt, um den süßen Selbstgenuß dieses Bewußtseins zu haben.
Fanny LewaldDie äußeren Verhältnisse bilden den Menschen, wie er andererseits die Verhältnisse gestaltet.
Fanny LewaldEs gibt nur einen Ausweg, wenn man einmal in ein Labyrinth geraten ist, das ist der Wille.
Fanny LewaldUnd wir Frauen sitzen und sitzen von unserem siebzehnten Jahre ab und warten und warten und hoffen und harren in müßigem Brüten von einem Tage zum andern, ob denn der Mann nicht kommt, der uns genug liebt, um sich unserer Hilflosigkeit zu erbarmen.
Fanny LewaldVersöhnung setzt gänzliches Vergessen des geschehenen Unrechts voraus, und dies Vergessen erfordert Liebe. Liebe vergibt und vergisst, weil sie zu lieben verlangt.
Fanny LewaldEs ist die Emanzipation der Frau, die ich für uns begehre; jene Emanzipation, die ich für mich selbst erstrebt und errungen habe, die Emanzipation zur Arbeit, zu ernster Arbeit.
Fanny LewaldUnsere Entsagung macht uns fast immer unglücklich, und den nicht glücklich, dem das Opfer gebracht wird. Entsagte man nicht, so käme am Ende nicht zwei Leiden, sondern ein Glück und ein Unglück zustande; und das wäre besser.
Fanny LewaldWie unter den tausend Blättern eine Baumes nicht zwei einander vollkommen gleichen, so bringt jedes Menschenleben neue Erscheinungen in der Liebe zur Entfaltung.
Fanny LewaldLiebst Du mich denn nicht? Mußt Du nicht mein sein, weil Du mir gestanden, daß Du nur mich allein geliebt?
Fanny LewaldWenn jeder das Kleinste, das ihm obliegt, gewissenhaft und mit Liebe tut, fördert er das große Ganze am sichersten.
Fanny Lewald