Fernando Pessoa Zitate
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In einem Hühnerstall, aus dem man ihn zum Schlachten herausholen wird, kräht der Hahn Hymnen auf die Freiheit, weil man ihm darin zwei Sitzstangen eingebaut hat.
Schreibt auf mein Grab: Hier ruht, ohne Kreuz, Alberto Caeiro, Gegangen, die Götter zu holen… Ob die Götter leben oder nicht, ist eure Sache. Mir habe ich hinterlassen, sie mögen mich empfangen.
Stumm betrachte ich den See, den eine Brise kräuselt. Nichts weiß ich, wenn ich an das Ganze denke Oder es ist das Ganze, das mich vergisst.
Die Schönheit des nackten Körpers können nur die bekleideten Rassen würdigen. Das Schamgefühl wirkt auf die Sinnlichkeit wie ein Hindernis auf die Energie.
Im Grunde genommen ist der religiöse Mensch ein Hedonist. Das allgemeine religiöse Gefühl ist ein Gefühl des Genusses, alles im Leben gelöst zu haben.
Die einzige Tragödie ist unser Unvermögen, unser Selbst in seiner ganzen Tragik zu begreifen.
Nichts zeigt die Ärmlichkeit des Geistes deutlicher an als die Tatsache, daß man nur auf Kosten anderer Leute geistreich sein kann.
Morgen ist der Tag der Pläne. Morgen will ich mich an den Schreibtisch setzen und die Welt erobern; aber die Welt erobern will ich erst übermorgen… Ich möchte weinen, ich möchte urplötzlich weinen von innen heraus.
Leben ist die Unschlüssigkeit zwischen einem Ausrufungszeichen und einem Fragezeichen. Für den Zweifel gibt es den Punkt.
Jedes Ding ist, je nach dem, wie man es betrachtet, ein Wunder oder ein Hindernis, ein Alles oder ein Nichts, ein Weg oder eine Sorge.
Zwischen Schlaf und Traum, Zwischen mir und was in mir ist Und was ich vermute zu sein, Fließt ein unendlicher Fluss.
Nie hatte ich genug Geld, um die Langeweile fühlen zu können, nach der mich verlangte.
Gerechtigkeit ist für die Güte, was die Enthaltsamkeit für die sexuelle Feigheit ist.
Weiß ich, welche Übel ich hervorrufe, wenn ich erziehe oder unterrichte? Im Zweifelsfall enthalte ich mich der Stimme.
Das gesamte Leben der menschlichen Seele ist eine Bewegung im Schatten. Wir leben in einem Zwielicht des Bewußtseins, uns nie dessen sicher, was wir sind, oder dessen, was wir zu sein glauben.
Der Überdruß ist nicht die Langeweile des Nichts-zu-tun-Habens, sondern die ärgere Krankheit, zu fühlen, daß es sich nicht lohnt, irgendetwas zu tun.
Meine Seele ist ein verborgenes Orchester; ich weiß nicht, welche Instrumente, Geigen und Harfen, Pauken und Trommeln es in mir spielen und dröhnen läßt. Ich kenne mich nur als Symphonie.
Sich kennen heißt sich irren, und das Orakel, das da sagte: Erkenne dich selbst!, hat dem Menschen eine schwierigere Aufgabe zugewiesen als die des Herkules und ein schwärzeres Rätsel aufgegeben als das der Sphinx.
Da wir dem Leben keine Schönheit abzuringen vermögen, sollten wir zumindest versuchen, unserem Unvermögen Schönheit abzuringen.
Meister, wie heiter sind doch alle die Stunden, die wir verlieren, wenn ins Verlieren, wie in eine Vase, wir Blumen betten.
Es gibt Momente, in denen uns alles ermüdet, sogar das, was zu unserer Erholung beitragen sollte.
Das Recht zu leben und zu triumphieren erwirbt man heute fast durch die gleichen Verfahren, mit denen man die Einweisung in ein Irrenhaus erreicht: die Unfähigkeit zu denken, die Unmoral und die Übererregtheit.
Ich schreibe, um mich vom Leben abzulenken, und ich veröffentliche, weil dies zur Spielregel gehört.
Ich habe keine Philosophie, ich habe Sinne… Rede ich von der Natur, so nicht, weil ich weiß, was sie ist, sondern weil ich sie liebe, und darum liebe ich sie; denn wer liebt, weiß niemals, was er liebt, noch warum er liebt oder was lieben ist…
Glücklich, wer vom Leben nicht mehr verlangt als es ihm aus eigenem Antrieb gibt und sich vom Instinkt der Katzen leiten läßt, die die Sonne suchen, wenn sie scheint, die Wärme, wo sie auch sein möge.