Zitate von Georg Christoph Lichtenberg
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Es gibt Leute, die glauben, alles wäre vernünftig, was mit einem ernsthaftem Gesicht getan wird.
Der eine hat eine falsche Rechtschreibung und der andere eine rechte Falschschreibung.
So wie das höchste Recht das höchste Unrecht ist, so ist auch umgekehrt nicht selten das höchste Unrecht das höchste Recht.
Es gibt eine Art von leerem Geschwätz, dem man durch Neuigkeit des Ausdrucks, unerwartete Metaphern das Ansehen von Fülle gibt. Im Scherz geht es an, im Ernst ist es unverzeihlich.
Verminderung der Bedürfnisse sollte wohl das sein, was man der Jugend durchaus einzuschärfen und wozu man sie zu stärken suchen müßte. Je weniger Bedürfnisse, desto glücklicher, ist eine alte, aber sehr bekannte Wahrheit.
Ich weiß aus unleugbarer Erfahrung, daß Träume zur Selbsterkenntnis führen.
Das Mädchen ist ganz gut, man muß nur einen andern Rahmen drum machen lassen.
Der Mensch irrt freilich überall, allein die Propheten, Physiognomen und Astrologen muß man nicht so gradeweg unter die irrenden Naturkündiger stellen, der Prophet und der Physiognom irren eminent.
Woher kommt es doch, daß man bei ähnlichen Gesichtern so oft ähnliche Gesinnungen findet?
Wie glücklich viele Menschen wären, wenn sie sich genauso wenig um die Angelegenheiten anderer kümmern würden wie um die eigenen.
Kein Wort im Evangelium ist in unseren Tagen mehr befolgt worden als das: Werdet wie die Kindlein.
Man muß Hypothesen und Theorien haben, um Kenntnisse zu organisieren, sonst bleibt alles Schutt.
Die eine Seite seines Gehirns war weit härter und älter als die linke, und das gab seinen Gedanken das Sonderbare, er hatte oft Gedanken, die gar nicht wie Gedanken aussahen.
Ich bin außerordentlich empfindlich gegen alles Getöse, allein es verliert ganz seinen widrigen Eindruck, sobald es mit einem vernünftigen Zwecke verbunden ist.
Harlequin will sich selbst ermorden, und nachdem er gegen jede Todesart etwas einzuwenden findet, entschließt er sich endlich, sich tod zu kitzeln.
Wenn die Menschen sagen, sie wollen nichts geschenkt haben, so ist es gemeiniglich ein Zeichen, daß sie etwas geschenkt haben wollen.
Ich glaube, dass die moralische Empfindlichkeit im Menschen zu unterschiedenen Zeiten verschieden ist, des Morgens stärker als des Abends.
Es gibt ein Sprichwort im Englischen, das heißt: Er ist zu dumm, um ein Narr zu werden. Es steckt sehr viel feine Bemerkung hierin.
In Lavatern ist nichts von dem sanften Sonnenlicht des Tizian, sondern über alles dampft er einen heiligen Nebel her und blitzt mit Hexenmehl und Kolophonium, und donnert auf der Baßgeige.
Es ist eine ganz bekannte Sache, daß die Viertel-Stündchen größer sind, als die Viertelstunden.
Im gemeinen Leben heißt oft die Epilepsie das böse Wesen. Was wäre das gute Wesen? Jemand glaubt, man könne den epileptischen Zuckungen im Paroxysmus der gekrönten Liebe diesen Namen geben.
Keiner kennt die Menschen so gut wie die Bettler, Beichtväter und Banker.
Er war ein vortrefflicher Junge; als er kaum sechs Jahre alt war, konnte er schon das Vaterunser rückwärts herbeten.
Um uns ein Glück, das uns gleichgültig scheint, recht fühlbar zu machen, müssen wir immer denken, daß es verloren sei und daß wir es in diesem Augenblick wieder erhielten.
Alle schwache[n] Regierungen gründen sich darauf, daß sie dem klügeren Teil der Nation ein Schloß oder Klebpflaster auf den Mund werfen.
Ob eine Mann, der schreibt, gut oder schlecht schreibt, ist gleich ausgemacht, ob aber einer, der nichts schreibt und stille sitzt, aus Vernunft oder Unwissenheit stille sitzt, kann kein Sterblicher ausmachen.
Es ist sonderbar, daß nur außerordentliche Menschen die Entdeckungen machen, die hernach so leicht und simpel scheinen, dieses setzt voraus daß die simpelsten aber wahren Verhältnisse der Dinge zu bemerken sehr tiefe Kenntnisse nötig sind.
Was einem das Liegen auf dem rechten Ellenbogen ist, nachdem man eine Stunde auf dem linken gelegen.
Sie ging mit Schritten, wovon jeder die Absicht zu haben schien zu besiegen, und doch, wer konnte einen zwingen hinzusehen, wenn man nicht wollte, man konnte es der kleinen Hexe unmöglich verbieten.
Manche Köpfe tragen keine Früchte, wenn sie nicht wie Hyazinthenzwiebeln über Bouteillenhälsen stehen. Der Feige holt da seinen Mut, der Schüchterne Vertrauen auf eigne Kraft und der Elende Trost hervor.
Was man so sehr prächtig Sonnenstäubchen nennt sind doch eigentlich Dreckstäubchen.
Der gewöhnliche Kopf ist immer der herrschenden Meinung und der herrschenden Mode konform.
Alle Erfindungen gehören dem Zufall zu, die eine näher, die andre weiter vom Ende, sonst könnten sich vernünftige Leute hinsetzen und Erfindungen machen so wie man Briefe schreibt.
Wenn Leute ihre Träume aufrichtig erzählen wollten, da ließe sich der Charakter eher daraus erraten, als aus dem Gesicht.
Wenn ich doch Kanäle in meinem Kopfe ziehen könnte, um den inländischen Handel zwischen meinem Gedankenvorrate zu befördern! Aber da liegen sie zu Hunderten, ohne einander zu nützen.
Die Zeitungsschreiber haben sich ein hölzernes Kapellchen erbaut, das sie auch den Tempel des Ruhmes nennen, worin sie den ganzen Tag Porträts anschlagen und abnehmen.
Wenn man den Ländern Namen von den Worten gäbe, die man zuerst hört, so müßte England „damn it“ heißen.
Es macht den Deutschen nicht viel Ehre, daß einen anführen (was sonst mit anleiten gleichbedeutend ist) soviel heißt als einen betrügen.
Das Bekehren der Missetäter vor ihrer Hinrichtung läßt sich mit einer Art von Mästung vergleichen, man macht sie geistlich fett, und schneidet ihnen hernach die Kehle ab, damit sie nicht wieder abfallen.