Zitate von K. Michael Mühlfeld

Der Trost im Fortleben des Verblichenen in der Erinnerung der Verbliebenen ist ein gutgemeintes Paradoxon der Pfaffen: Gerade das macht es doch den Verbliebenen so schwer.

Seine Heimat hat man dort gefunden, wo man die Jahreszeit am Duft erkennt und dabei eine Gänsehaut bekommt.

Den subjektiven Wert einer vergangenen Zeit kann man messen: Das Maß ist der Schmerz beim Erinnern.

Die Triebfeder der Pietät gegenüber den Toten und Kranken ist bei den meisten Menschen nur Ausdruck der Angst vor einem jenseitigen Wiedersehen.

Ob jemand ein Angler ist oder nicht, erkennt man am besten, wenn derjenige eine Brücke passiert, die über einen Fluß führt: Schaut er nicht über das Geländer, so ist es garantiert kein Angler – oder gerade ein erfahrener, der sein Revier bestens kennt.

Der wahre Dichter leidet. Umso bedauernswerter der Leidende, der nicht einmal Dichter ist.

Das gesteigerte Interesse mancher Menschen am Tod ist nicht Ausdruck einer Perversion, sondern vielmehr des Bestrebens, dem Leben auf den Grund zu gehen.

Leider kann man wichtige Entschlüsse nur sehr selten ohne jeden Verlust rückgängig machen. Die Wirtschaft hat längst einen Namen dafür: Schmerz, Zeit und Reue sind die Stornogebühren unseres geldlosen Lebens. Leider ist ihre Höhe vorher meist nicht bekannt.

Zweckpessimismus sollte nur der an den Tag legen, der den negativen Ausgang einer Sache für grundsätzlich wünschenswert hält.

Verliebte sitzen oft stundenlang am Meer und schauen verträumt in den Sonnenuntergang. Diese Romantik wird dem Angler niemals zugestanden werden, da er ja das Schöne mit dem Nützlichen verbindet.

Die Milde der Alten ist nicht Ausdruck von Weisheit. Sie ist vielmehr die heilsam umgemünzte Resignation.

Die Vergangenheit beginnt sich in dem Moment zu verklären, in dem man die Gegenwart mit ihr vergleicht.

Der Alzheimer-Kranke befindet sich in einem paradoxen Zustand: Er hat keine Erinnerungen mehr. Jedoch kann er sich auch nicht daran erinnern, sich jemals erinnert haben zu können

Der Anblick eines Toten ist erhaben und trivial zugleich. Der ehrliche Mensch gesteht sich die widerstreitenden Kräfte von Pietät und Realismus ein, ohne sich zu entscheiden zu wollen.

Würde jeder Mensch nach dem Tode so behandelt, wie er es verdient hat, so würden viele der Zurückgebliebenen plötzlich notwendigerweise zu Leichenschändern.

Der Dichter sollte mit der Verwendung von Symbolen äußerst vorsichtig sein: Jedes Ding kann ein Symbol sein. Für was, liegt jedoch zum größeren Teil im Auge des Betrachters.

Die Illusion ist als Täuschung grundsätzlich etwas Schlechtes, jedoch hält sie den Menschen am Leben.

Wer die Gabe hat, sich selbst darzustellen, wird heute keine Probleme damit haben, erfolgreich zu sein. Hemmungsloser Narzissmus ersetzt fachliche Kompetenz.

In Schlagertexten werden Illusionen oft beschönigend Träume genannt. Die Unerfüllbarkeit wird so bewußt verschwiegen.

Die meisten Künstler sind erst posthum erfolgreich, weil sie ihrer Zeit weit voraus sind. Wollt ihr Atheisten ihnen den Ruhm nicht gönnen?

Frühlingsgefühle sind die einzigen Gefühle, die sich der Bekämpfung durch Zynismus erfolgreich widersetzen. Vielleicht aus zyklischer Tradition?

Früher stand die Gemeinschaft im Vordergrund, heute steht das Individuum im Vordergrund. Stehen bald einzelne Körperteile im Vordergrund?

Reisende soll man nicht aufhalten. Was aber, wenn eben jener das eigene Herz mit im Gepäck hat.

Die Geburt kann nicht als das Pendant zum Sterben angesehen werden: Der Zeitpunkt der Geburt ist schließlich fremdbestimmt. Nur Gott kann die Analogie begründen.

Der Tod eines Menschen wirft in den meisten Fällen nur eine Frage auf: Welchen Sarg nehmen wir?

Ab einem gewissen Grad des Desillusioniert-Seins muß man sich aus Selbschutz das kritische Denken verbieten.

Ein Mann wird wegen Leichenschändung verurteilt. Ist es beachtlich, daß sein Opfer Atheist und Nihilist war?

Warum soziales Engagement heutzutage fast immer mit Eitelkeit der Agierenden einhergeht? Weil zuviel darüber berichtet wird.

Die Paradoxie unserer heutigen Welt: Mit Intoleranz gegenüber bestimmten Personenkreisen für mehr Toleranz werben.

Umkehr der Eifersucht: Entspringt die Sehnsucht, jemanden an seiner Seite zu haben nicht doch nur der Angst, diesen Jemand an der Seite eines anderen zu sehen?

Die heutigen Politiker haben auch noch Visionen: Noch mehr Geld auf ihrem Konto, ist die wichtigste.

Es ist leicht, Frauen zu beeindrucken. Es ist jedoch nahezu unmöglich, dies unter Wahrung der Selbstachtung zu tun.

Ist die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod nur eine Illussion, so ist es die letzte des Menschen. Sollte es jedoch keine Illusion sein, werden im Jenseits sicherlich weitere folgen.

Das Individuum versteht sich heute nicht mehr als Teil des Ganzen. Dennoch verlangt es mehr denn je, daß das Ganze sich rührend um es kümmert.

In einem Nachruf schreibt man stets nur die halbe Wahrheit. Aus Pietät oder aus Angst vor einem jenseitigen Wiedersehen?

Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst nicht hinein, weil er weiß, wo sie ist.

Irgendwann im Leben hat jeder Mensch die Vorstellung Künstler zu sein. Ein Glück, daß die meisten ihre „Werke“ gut versteckt halten.

Der alte Mensch zehrt von seinen Erinnerungen. Darum sollte sich der junge Mensch bemühen, möglichst viel zu erleben, um im Alter nicht zu verhungern.