Karl Kraus Zitate
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Oft enttäuscht eine in der Nähe. Man fühlt sich hingezogen, weil sie so aussieht, als ob sie Geist hätte, und sie hat ihn.

Gestehen wir es uns nur ein, die Menschheit ist seit der Einführung der Menschenrechte auf den Hund gekommen.

Die christliche Moral hat es am liebsten, daß die Trauer der Wollust vorangeht und diese ihr dann nicht folgt.

Wenn der Dachstuhl brennt, nützt es weder zu beten noch den Fußboden zu scheuern. Immerhin ist das Beten praktischer.

Der Journalismus dient nur scheinbar dem Tage. In Wahrheit zerstört er die geistige Empfänglichkeit der Nachwelt.

An einem Dichter kann man Symptome beobachten, die einem Kommerzienrat für die Internierung reif machen würden.

Das Vorurteil ist ein unentbehrlicher Hausknecht, der lästige Eindrücke von der Schwelle weist. Nur darf man sich von seinem Hausknecht nicht selber herauswerfen lassen.

Die Phrase ist manchmal doch einer gewissen Plastik fähig. Von einem Buch, das als Reiselektüre empfohlen wurde, hieß es: „Und wer das Buch zu lesen beginnt, liest es in einem Zuge durch“.

An einem Familientreffen sind nicht nur die schuld, die es ausrichten, sondern auch die, die es nicht verhindern.

Um zu glauben, daß Einer das alles gemacht hat, braucht man doch sicher mehr Gedanken, als nur zu wissen, daß er es nicht gemacht hat – ihr Idioten des freien Geistes!

Der Ernst des Lebens ist das Spielzeug der Erwachsenen. Nur, daß er sich mit den sinnvollen Dingen, die eine Kinderstube füllen, nicht vergleichen läßt.

Es gibt Schriftsteller, die schon in zwanzig Seiten ausdrücken können, wozu ich manchmal sogar zwei Zeilen brauche.

Daß Titania auch einen Esel herzen kann, wollen die Oberone nie verstehen, weil sie dank einer geringern Geschlechtlichkeit nicht imstande wären, eine Eselin zu herzen. Dafür werden sie in der Liebe selbst zu Eseln.

Die Zeitung in Deutschland ist immerhin eine Bedürfnisanstalt. Hier suchen sie durch Goldfische von dem eigentlichen Sinn der Verrichtung anzulenken.

In der Literatur hüte man sich vor Satzbauschwindlern. Ihre Häuser bestehen aus Fenstern, um die eine Mauer geführt ist.

Die Liebe der Geschlechter ist in der Theologie eine Sünde, in der Jurisprudenz ein unerlaubtes Verständnis, in der Medizin ein mechanischer Insult, und die Philosophie gibt sich mit so etwas überhaupt nicht ab.

Die männliche Überlegenheit im Liebeshandel ist ein armseliger Vorteil, durch den man nichts gewinnt und nur der weiblichen Natur Gewalt antut. Man sollte sich von jeder Frau in die Geheimnisse des Geschlechtslebens einführen lassen.

Die jungen Leute sprechen so viel vom Leben, weil sie es nicht kennen. Es würde ihnen die Rede verschlagen.

Es gibt eine Zuständigkeit der Gedanken, die sich um ihren jeweiligen Aufenthalt wenig kümmert.

Es gibt Vorahmer von Originalen. Wenn zwei einen Gedanken haben, so gehört er nicht dem, der ihn früher hatte, sondern dem, der ihn besser hat.

Ich habe schon manches Stilproblem zuerst durch den Kopf, und dann durch Kopf und Adler entschieden.

Die Sprache Mutter des Gedankens? Dieser kein Verdienst des Denkenden? O doch, er muß jene schwängern.

Eines Dichters Sprache, eines Weibes Liebe – es ist immer das, was zum erstenmal geschieht.

Sie sagte sich innerlich: Ich schlafe mit dir, ja! Doch um Himmels Willen keine Vertraulichkeiten.

Nichts ist trauriger als Niedrigkeit, die ihren Lohn nicht erzielt hat. Sie bilde sich nachträglich nicht ein, daß sie Gemeinheit l’art pour l’art sei.

Gern käm ich um die Konzession zum Handbetrieb einer Guillotine ein. Aber die Erwerbssteuer!

Wer die Geliebte die Geliebte nenne, müsse auch den Mut haben, die Ehefrau die Ungeliebte zu nennen.

Der Wiener erkannt, daß der Wagentürlaufmacher zwecklos sei. Da erfand er Klinken, mit denen man nicht öffnen kann.