Kurt Tucholsky Zitate
seite 5

Das Beamtentum des modernen Staates ist Selbstzweck und verwendet seine Hauptkraft darauf, sich zu erhalten und sich zu vermehren.
Der französische Soldat ist ein verkleideter Zivilist, der deutsche Zivilist ist ein verkleideter Soldat.
Neben manchem andern sondern die Menschen auch Gesprochnes ab. Man muß das nicht gar so wichtig nehmen.
Du wolltest leben und kamst nicht dazu. Du wolltest leben und vergißt es vor lauter Geschäftigkeit. Du willst das spüren, was in dir ist, und hast eifrig zu tun mit dem, was um dich ist. – Verschüttet ist dein Lebensgefühl.
Der Deutsche lässt sich für jede Arbeit, die er gewissenhaft und gut verrichten soll, mit Respekt überzahlen.
Es gibt nur eine Sorte Pazifismus: Den, der den Krieg mit allen Mitteln bekämpft. Ich sage: Mit allen, wobei also die ungesetzlichen eingeschlossen sind.
Wenn einer eine Ansprache hält, müssen die anderen schweigen – das ist deine Gelegenheit. Mißbrauche sie.
Die Satire ist nur die Konkav-Ansicht eines Gemüts; wenn es nach hinten nicht buckelt, klafft vorn keine Höhlung, und das Ganze bleibt platt.
Die Börse erfüllt eine wirtschaftliche Funktion: ohne sie verbreiteten sich neue Witze wesentlich langsamer.
Blut ist dicker als Wasser; Krach ist dicker als Blut, und stärker als alle drei beide ist die Gewöhnung.
Das äußerste, was ich jemals an Perversität gehört habe, hat mir meine Freundin Grete Walfisch erzählt. Die hat in ihrer Jugend einen alten Hofhund abgerichtet: wenn der einem Menschen schmeicheln sollte, dann mußte er knurren.
Eine Regierung ist nicht der Ausdruck des Volkswillens, sondern der Ausdruck dessen, was ein Volk erträgt.
Für uns betet eigentlich niemand beim lieben Gott. Und ich kann mir nicht helfen: ich habe das leise Gefühl, als ob’s uns gerade deshalb so gut ginge.
Ist dir noch nicht aufgefallen, wie viel Frechheit durch Unsicherheit zu erklären ist?
Wenn ein Mann weiß, daß die Epoche seiner stärksten Potenz nicht die ausschlaggebendste der Weltgeschichte ist – das ist schon sehr viel.
Die Bourgeoisie ist in keinem Lande sehr erfreulich. Der Nationalcharakter kann ihre spezifischen Eigenschaften mildern oder noch mehr ans Licht treten lassen.
In neunundneunzig von hundert Fällen lohnt es sich nicht, ein Ding aufzubewahren. Es nimmt nur Raum fort, belastet dich; hast du schon gemerkt, daß du nicht die Sachen besitzt, sondern daß sie dich besitzen?
Das „Menschliche“ ist das, was sich anderswo von selbst versteht. Bei uns wird es umtrommelt, und zitiert, hervorgehoben und angemalt…
Der Mensch ist ein Wirbeltier und hat eine unsterbliche Seele sowie auch ein Vaterland, damit er nicht zu übermütig wird.
Was nicht griffbereit ist, was man nicht nachts um zwei Uhr finden kann -; das besitzt man nicht. Das liegt bloß da. Es ist so, wie wenn man es weggeworfen hätte.
Trennt man die geschickte ‚Aufmachung‘ des kümmerlichen Stoffs von seiner Substanz, so sieht man erst, wie dürftig die Quellen rinnen.
Wo ein Ding ist, kann kein andres sein. Wo schon ein Loch ist: kann da noch ein andres sein? Und warum gibt es keine halben Löcher -?
Da lesen wir in der demokratischen Presse etwas von der Gefährdung des Wehrgedankens. Aber wir wollen ihn so gefährden, dass ihm die Luft ausgeht.
Zu seinem Wiederaufbau braucht Deutschland vor allem einmal viele Generationen, die gar nicht wissen, was ein Dienstbefehl ist. Wir haben genug von „gedienten Leuten“. Das Gesetz muß – im Namen der Freiheit – verschwinden.
Es ist eine leere Zeit. Ich vertreibe sie mir, so gut es geht – es kommt aber immer neue.