Zitate von Kurt Tucholsky
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Es gibt nur sehr wenige Situationen jedes menschlichen Lebens, in denen man keine Bücher lesen kann, könnte, sollte…
Der Durchschnittsleser erlebt die Welt so, wie sie ihm seine Zeitung vermittels großer und kleiner Schriftgrade ordnet.
Um populär zu werden, kann man seine eigene Meinung behalten. Um populär zu bleiben, weniger.
So süß ist keine Liebesmelodie, so frisch kein Bad, so freundlich keine kleine Brust wie die, die man nicht hat.
Wenn die Amerikanerin so lieben könnte, wie die Deutsche glaubt, daß die Französin es täte – dann würde sich die Engländerin schön freuen. Sie hätten einen herrlichen Anlaß, sich zu entrüsten.
Wenn die Maschinen, die die Menschen so im Lauf der Zeit erfunden haben, nun auch noch funktionierten: was wäre das für ein angenehmes Leben.
Berlin vereint die Nachteile einer amerikanischen Großstadt mit denen einer deutschen Provinzstadt. Seine Vorzüge stehen im Baedeker.
Es sind nicht die besten Bauern, die sich zum Bürgermeister wählen lassen – die haben nämlich keine Zeit dafür.
Geschwister sind wie Indianer: Entweder sie sind auf dem Kriegspfad, oder sie rauchen die Friedenspfeife.
Dies ist, glaube ich, die fundamentalste Regel allen Seins: Das Leben ist gar nicht so, es ist ganz anders!
An so ein Leben, in dem man nie allein ist, gewöhnt man sich nicht; man lebt es bitter zu Ende.
Jede Wirtschaft beruht auf dem Kreditsystem, das heißt auf der irrtümlichen Annahme, der andere werde gepumptes Geld zurückzahlen.
Ein Ideal, für das ein Mann oder eine Frau nicht kämpfen wollen, stirbt – das ist ein Naturgesetz.
Wenn der Mensch „Loch“ hört, bekommt er Assoziationen: Manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Göbbels.
Die Menschen sind so geartet: Wenn ihnen einer sagt, daß Herr X. befördert wurde, so imponiert ihnen das ungeheuer. Wer ihn befördert hat, danach fragen sie gar nicht.
Wesentlich an einer Zeitung ist zunächst und vor allem, was sie bringt, und was sie nicht bringt.
Im übrigen ist Militärjustiz in allen Fällen vom Übel: nicht nur, weil sie vom Militär kommt, sondern weil sie sich als Justiz gibt, was sie niemals sein kann.
Denn weil sich jeder eine Welt macht, in deren Mittelpunkt er selber steht, so verneint er die der andern, deren Weltbild ihn etwa an die Wand klemmen könnte.
Ich mag mich nicht gern mit der Kirche auseinandersetzen; es hat ja keinen Sinn, mit einer Anschauungsweise zu diskutieren, die sich strafrechtlich hat schützen lassen.
Merke: Wer sich so mit dem Nebel des Mysteriums umgibt, wie alle diese, die es mehr oder weniger begabt der katholischen Kirche nachmachen, der zeigt, daß seine Position bei voller Klarheit viel zu fürchten hat.
Man kann jeden daran erkennen, wie er das Wort ich setzt. Manche sollten es lieber nicht setzen. Viele sagen auch noch niemals ich, sondern immer ich persönlich, wie ja denn niemand seine Persönlichkeit so betont, wie derjenige, der keine hat.
Über den Bodensee der Sexualität kommt man nur, wenn er zugefroren ist und der Reiter nicht weiß, daß das Feld eigentliche eine Eisdecke ist.
Wenn einer eine Ansprache hält, müssen die anderen schweigen – das ist deine Gelegenheit. Mißbrauche sie.
Was die Leute wollen, ist ein Einfamilienhaus am Kurfürstendamm und hinterm Garten die Zugspitze.
Neben manchem andern sondern die Menschen auch Gesprochnes ab. Man muß das nicht gar so wichtig nehmen.