Wilhelm Raabe Zitate
seite 7

Unter den Waffen, welche dem Menschen zum Kampfe mit dem Leben gegeben werden, sind zwei scharfe, schneidende: Verstand und Phantasie.
Wir Deutsche sind seltsame Fische – einer Quabbenart mit ungeheuren Geistesflossen, mit denen sich ein ungeheures Geplätscher machen lässt. Wenn nur nicht die Pfützen, in denen wir unser jämmerliches Dasein hinbringen, so seicht, so eng wären!
Solange der Mensch auf seiner Erde Geschichten hört oder dergleichen selber erzählt, teilt er sie gewöhnlich ein in solche, die gut anfangen und böse endigen, und solche, die schlimm beginnen, aber zu einem wünschenswerten Ende kommen.
Und wenn sie noch so genau den Düngerhaufen beschreiben, die Wiese im Morgentau und Sonnenglanz behält doch ihr Recht.
Mit dem Hunger nach der Unendlichkeit wird der Mensch geboren; er spürt ihn früh, aber wenn er in die Jahre des Verstandes kommt, erstickt er ihn meistens leicht und schnell.
Alles Glücklichsein ist das eines Kindes im Theater. Das Alter weiß, wie die Dekoration von hinten aussieht und der Schauspieler zu Hause. Freilich bleiben die meisten bis zu ihrem Tode große Kinder.
Der Mensch ist groß, wenn er menschlich ist; will er göttlich sein, wird er kindisch, und denkt er tierisch, wird er zum Vieh.
Was ist der Mensch? Jedenfalls nicht das, was er sich einbildet zu sein, nämlich die Krone der Schöpfung.
Wie viele treue und besorgte Blicke aus lieben Augen gehen einem verloren, während man auf das Zwinkern, das Schielen und Blinzeln der Welt rundum nur zu genau achtet!
So viel Lichter um uns her angezündet sein mögen, so hell die Sonne scheinen mag, auf einmal wissen wir wieder, daß wir aus dem Dunkeln kommen und in das Dunkle gehen, und daß auf Erden kein größeres Wunder ist, als daß wir dieses je für den kürzesten Augenblick vergessen könnten.
Ein Weib möchte immer alles gern selber verrichten, aber zugleich immer einen haben, dem es die Verantwortung dafür in die Schuhe schieben könnte.
Das ist das Schrecknis in der Welt, schlimmer als der Tod, daß die Kanaille Herr ist und Herr bleibt.
Es ist immer ein Vorrecht anständiger Leute gewesen, in bedenklichen Zeiten lieber für sich den Narren zu spielen als in großer Gesellschaft unter den Lumpen der Lump zu sein.
Was einen, wenn man jung ist, als eine Mücke umschwirrte, das wird im Alter zur Hornisse.
Es gehört zu manch einer mutigen, heißen, fieberhaft ihr Bestes geben wollenden Seele eine ungeschickte, zaghafte Hand.
Man hat eben in der Welt nichts Ordentliches und Verständiges ohne der zugehörigen Jammer.
Das Behagen am Dasein verdirbt sich der Mensch sehr häufig durch seine sogenannten starken Seiten.
Man spricht viel zu leichtfertig vom Lachen in der Welt. Ich halte es für eine der ernsthaftesten Angelegenheiten der Menschheit.
Wie will der Mensch etwas werden in dieser schlimmen Welt, wenn er sich nicht eine Leiter macht aus seinen Dummheiten?
Zu merken ist, daß alle Menschen und alle Sachen in dieser Welt einen Augenblick haben, in welchen ihnen das letzte Recht gegeben wird.
Es gibt ein Reich der Freiheit, Ruhe und stolzen Gelassenheit, dessen Bürgerbrief wir zu besitzen glauben, und das uns keine Macht der Welt entreißen soll, in dem man den Sieg gerade dann am festesten hält, wenn die Widersacher am lautesten den Sieg über uns kreischen.
Diejenigen, welche mit heitrem Lächeln den uralten, bittern Kampf führen, können in der rechten Stunde, und zumal in der Stunde des Sieges ernst genug sein. Sie vor allen andern Erdenbürgern werden es am wenigsten wagen, des Lebens rätselhafte Tiefen durch leichtsinnigen Scherz zu überbrücken.
Der Mensch hat auf Erden nichts, was er als sein ewiges Eigentum beanspruchen und aufrechterhalten kann und woran er schreiben darf: Rühre nicht an!
Halte den Hut fest! Es wird mehr als einer seine Kraft daran setzen, ihn dir vom Kopfe zu pusten.
Es gibt gewachsenen Boden und aufgeschütteten. Es gibt Werke, die aus gewachsenem, und solche, die aus aufgeschüttetem Boden aufwachsen.
Im Leben, wie im Märchen, darf man sich nicht umsehen, wenn man sicher durch die Schrecknisse des Weges gelangen will.
O Mutter, du weißt nicht, wie nötig ich dich habe; keine Weisheit, die auf Erden gelehrt werden kann, kann uns das geben, was ein Wort und ein Blick der Mutter uns gibt…
Gott, der große Magister, weiß sehr gut, daß sein Völklein erst mit großem Weh „mensa“ – der Tisch – deklinieren lernen muß, ehe es zum großen Verbum „amare“ kommt.
Hat es jemals einen Menschen gegeben, der berechtigt gewesen wäre, über das Leben eines anderen abzuurteilen?
Ich habe bis jetzt auch nicht gewußt, daß die Sorge mit das Beste in und an der Welt ist.
Ich kenne sie alle: die einen geben einem dieses Rätsel auf, die anderen jenes, und die Auflösung steht verkehrt gedruckt unter jedem.