Zitate von Karl Kraus
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Einer zitierte gern Jean Pauls Wort, daß jeder Fachmann in seinem Fach ein Esel sei. Er war nämlich in allen Fächern zuhause.

An einem Dichter kann man Symptome beobachten, die einem Kommerzienrat für die Internierung reif machen würden.

Im Umgang mit der Sprache steht der Schriftsteller vor der Aufgabe, eine allgemeine Dirne zu einer Jungfrau zu machen.

Als es noch keine Menschenrechte gab, hatte sie der Vorzugsmensch. Das war inhuman. Dann wurde die Gleicheit hergestellt, indem man dem Vorzugsmenschen die Menschenrechte aberkannte.

Es ist schön, für eine Idee zu sterben. Wenn’s nicht eben die Idee ist, von der man lebt und an der man stirbt.

In der Literatur hüte man sich vor Satzbauschwindlern. Ihre Häuser bestehen aus Fenstern, um die eine Mauer geführt ist.

Mache ich die Reporter verantwortlich? Das konnte man nie glauben. Die Institution? Das tat ich vor Jahren. Das Bedürfnis des Publikums? Auch nicht mehr. Wen oder was mache ich verantwortlich? Immer den, der fragt.

Im Wörterbuch steht, daß „Aphrodite“ entweder die Göttin der Liebe oder ein Wurm bedeutet.

Anschauliche Reiseberichte machen die Entwicklung der Unkultur vom Männnergesang zum Männergebrüll fühlbar. Je lauter der Lärm und je schlechter die Luft, desto klarer die Erkenntnis, daß in dem Kampf um das Freiheitsrecht, der Zeit ihre Phrase zu prägen, Bier fließt.

Wer da gebietet, dass Xanthippe begehrenswerter sei als Alkibiades, ist ein Schwein, das immer nur an den Geschlechtsunterschied denkt.

Der Psychoanalytiker ist ein Beichtvater, den es gelüstet, auch die Sünden der Väter abzuhören.

Die Männer dieser Zeit lassen sich in zwei deutlich unterscheidbare Gruppen einteilen: die Kragenschoner und die Hosenträger.

Die Liebe der Geschlechter ist in der Theologie eine Sünde, in der Jurisprudenz ein unerlaubtes Verständnis, in der Medizin ein mechanischer Insult, und die Philosophie gibt sich mit so etwas überhaupt nicht ab.

Die wahre Beziehung der Geschlechter ist es, wenn der Mann bekennt: Ich habe keinen andern Gedankten als dich und darum immer neue!

Mein Wunsch, man möge meine Sachen zweimal lesen, hat große Erbitterung erregt. Mit Unrecht; der Wunsch ist bescheiden. Ich verlange ja nicht, daß man sie einmal liest.

Kein Zweifel, der Hund ist treu. Aber sollen wir uns deshalb ein Beispiel an ihm nehmen? Er ist doch nur dem Menschen treu und nicht dem Hund.

Was doch die soziale Sitte vermag! Nur ein Spinnweb liegt über dem Vulkan, aber er hält sich zurück.

Für den Nachteil des Mannes, nicht immer erhören zu können, wurde er mit der Feinfühligkeit entschädigt, die Unvollkommenheit der Natur in jedem Falle als eine persönliche Schuld zu empfinden.

Der schöpferische Mensch sieht Helenen in jedem Weibe. Er hat aber die Rechnung ohne den Analytiker gemacht, der ihn erst darüber aufklärt, was er eigentlich in Helenen zu sehen habe.

Nie wird – im Sexualbereich – freies Gewähren die Menschheit zu tief herunterbringen wie Verbieten, was heimlich dennoch geschieht.

Aussprechen, was ist – ein niedriger Heroismus. Nicht daß es ist, sondern daß es möglich ist: darauf kommt es an. Aussprechen, was möglich ist!

Es empfiehlt sich, Herren, die das Angebot einer Zigarre mit dem Satz beantworten: Ich sage nicht nein, sofort totzuschlagen. Es könnte nämlich sonst der Fall eintreten, dass sie auf die Frage, wie ihnen eine Frau gefalle, die Antwort geben: ‚Ich bin kein Kostverächter

Wenn man einem deutschen Autor nachsagt, er sei bei den Franzosen in die Schule gegangen, so ist es erst dann dann höchste Lob, wenn es nicht wahr ist.

Wenn ich manche Leute zurückgrüße, so geschieht es nur, um ihnen ihren Gruß zurückzugeben.

Vorschläge, um mich dieser Stadt wieder zu gewinnen: Änderung des Dialekts und Verbot der Fortpflanzung.

Bei gleicher Geistlosigkeit kommt es auf den Unterschied der Körperfülle an. Ein Dummkopf sollte nicht zu viel Raum einnehmen.