Zitate von Marie von Ebner-Eschenbach
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Die Kunst des Sokrates: aus dem Schüler durch Fragen ein „schaffendes Erinnern“ hervorzulocken.
Es glaube doch nicht Jeder, der imstande war, seine Meinung von einem Kunstwerk aufzuschreiben, er habe es kritisiert.
Nichts wird so oft unwiederbringlich versäumt, wie eine Gelegenheit die sich täglich bietet.
Menschen, die nach immer größerem Reichtum jagen, ohne sich jemals Zeit zu gönnen, ihn zu genießen, sind wie Hungrige, die immerfort kochen, sich aber nicht zu Tische setzen.
Die boshaften Mächte, die über dem Menschendasein walten, geben entweder den Durst oder die Labe, das Schwert oder die Faust, die es führen könnte; sie geben jenem den Wunsch, diesem die Erfüllung, und wo ich äußere Uebereinstimmung sehe, weiß ich auch: hier ist innerer Zwiespalt.
Entlasse dein Talent beizeiten, warte nicht, bis du von ihm entlassen wirst.
Keine falschere Behauptung als die, jeder Mensch müsse im Leben wenigstens einmal lieben. Im Gegenteil, die wahre, die furchtbare Liebe gehört zu den größten Seltenheiten, und ihre Helden sind an den Fingern herzuzählen wie überhaupt alle Helden.
Der Gläubige, der nie gezweifelt hat, wird schwerlich einen Zweifler bekehren.
Herrschaft behaupten wollen, heißt kämpfen wollen. Nutzen stiften wollen, heißt freilich auch kämpfen wollen, aber – um den Frieden.
Ich war ein junges Mädchen, beinahe noch ein Kind, meine traumhaften Ansichten wechselten wie Aprilwetter; aber eines stand immer klar und felsenfest in mir: die Überzeugung, daß ich nicht über die Erde schreiten werde, ohne ihr eine wenigstens leise Spur meiner Schritte eingeprägt zu haben.
Unerfüllbare Wünsche werden als „fromme“ bezeichnet. Man scheint anzunehmen, daß nur die profanen in Erfüllung gehen.
Die Frau verliert in der Liebe zu einem ausgezeichneten Manne das Bewußtsein ihres eigenen Wertes; der Mann kommt erst recht zum Bewußtsein des seinen durch die Liebe einer edlen Frau.
Man darf die Phantasie verführen, aber Gewalt darf man ihr nicht antun wollen.
Wir werden vom Schicksal hart oder weich geklopft; es kommt auf das Material an.
Wir befehden dich, warum nimmst du den Kampf nicht auf? Weil ich eure Zukunft schon als Vergangenheit sehe.
Wenn ein Mensch uns zugleich Mitleid und Ehrfurcht einflößt, dann ist seine Macht über uns unbegrenzt.
Man sollte nicht sprechen von der Kunst, glücklich zu sein, sondern von der Kunst, sich glücklich zu fühlen.
Wenn wir an Freuden denken, die wir erlebt haben, oder noch zu erleben hoffen, denken wir sie uns immer ungetrübt.
Verständniß für jedwedes Leid, Erbarmen mild mit jedem Fehle; Daran in dieser Zeitlichkeit, Erkennst Du die erwählte Seele.
Nimm das Leben nicht allzu ernst, du kommst am Ende ja doch nicht lebend davon.
Wo gibt es noch einmal zwei Dinge so entgegengesetzt und doch so nahe verwandt, so unähnlich und doch so oft kaum voneinander zu unterscheiden wie Bescheidenheit und Stolz.
Im Laufe des Lebens verliert alles seine Reize wie seine Schrecken; nur eines hören wir nie auf zu fürchten: das Unbekannte.
Wir suchen gern unsere Abneigung gegen einen Menschen aus seinen Fehlern zu erklären. Dies ist häufig Selbsttäuschung; auch unsere eigenen Fehler können dieser Abneigung zugrunde liegen.
„Du bist erbärmlich, du bist nichts“, sprach der Gedanke zum Einfall. Dieser erwiderte: „Ich möchte wissen, ob du dich irgendwo einfinden kannst, wo ich nicht früher gewesen bin.“
Die größte Gewalt über einen Mann hat die Frau, die sich ihm zwar versagt, ihn aber in dem Glauben zu erhalten versteht, dass sie seine Liebe erwidere.
Die Kunst ist im Niedergang begriffen, die sich von der Darstellung der Leidenschaft zu der des Lasters wendet.
Die einzigen von der Welt unbestrittenen Ehren, die einer Frau zuteil werden können, sind die, die sie im Reflex der Ehre ihres Mannes genießt.
An Rheumatismus und an wahrer Liebe glaubt man erst, wenn man davon befallen wird.
Während ein Feuerwerk abgebrannt wird, sieht niemand nach dem gestirnten Himmel.
In meiner Jugend war ist überzeugt, ich müsse eine große Dichterin werden, und jetzt ist mein Herz von Glück und Dank erfüllt, wenn es mir gelingt, eine lesbare Geschichte niederzuschreiben.
Nicht jene, die streiten, sind zu fürchten, sondern jene, die ausweichen.
Eiserne Ausdauer und klaglose Entsagung sind die zwei äußersten Pole der menschlichen Kraft.
Die Großmut ist nicht immer am rechten Platz, der Geiz aber ist immer am unrechten.
„Berühmt möchte ich sein“, sagst du und weißt nicht, was du redest. Berühmt sein heißt, mit nackten Füßen über ausgestreute Glasscherben dahinschreiten.
Die Eintagsfliege, wie so manche Leute, Vergönnt sich keine Freude an dem Heute, Denn ruh- und rastlos muß sie sorgen, Die arme Eintagsfliege – für das Morgen.
Wenn die Nachtigallen aufhören zu schlagen, fangen die Grillen an zu zirpen.
Wahre Liebe fordert nicht, wahre Liebe gibt. Sie ist ein Entgegenkommen, ein Geben, aber auch ein Annehmen. Wahre Liebe ergreift nicht Besitz, sondern gibt Freiheit.