Zitate von Marie von Ebner-Eschenbach
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Der Pfennig der Witwe wird von der Kirche dankbar quittiert. Willst du gleichen Lohn empfangen im Tempel der Kunst, dann sei ein Krösus und bringe dein Hab und Gut.
Da zuletzt doch alles auf unser Glauben hinausläuft, müssen wir jedem Menschen das Recht zugestehen, lieber das zu glauben, was er sich selbst, als was andere ihm weisgemacht.
Mit unseren Eltern begraben wir die Vergangenheit, mit unseren Kindern die Zukunft.
Lieber von einer Hand, die wir nicht drücken möchten, geschlagen, als von ihr gestreichelt zu werden.
Viele Leute glauben, wenn sie einen Fehler erst einmal eingestanden haben, brauchen sie ihn nicht mehr abzulegen.
Du kannst dem Glück nicht ein Pförtlein öffnen, ohne zugleich vor der Sorge ein Tor aufzureißen.
Wir sind in Todesangst, daß die Nächstenliebe sich zu weit ausbreiten könnte, und richten Schranken gegen sie auf – die Nationalitäten.
Ein Merkmal großer Menschen ist, dass sie an andere weit geringere Anforderungen stellen als an sich selbst.
An dem Manna der Anerkennung lassen wir es uns nicht genügen, uns verlangt nach dem Gifte der Schmeichelei.
Etwas Talent ist immer vorhanden, ohne Talent macht man gar nichts, nicht einmal etwas Miserables.
Manche Leute wären frei, wenn sie zu dem Bewußtsein ihrer Freiheit kommen könnten.
Mehr noch als nach dem Glück unserer Jugend sehnen wir uns im Alter nach den Wünschen unserer Jugend zurück.
Meine liebe Freundin, Gräfin Anna Pongracz, sprach einmal das vortreffliche Wort: „Jeder Gabe mancher Menschen liegt eine Rose bei; den Gaben anderer, wenn auch unbewußt, immer ein Dorn.“
Nichts macht uns feiger und gewissenloser als der Wunsch, von allen Menschen geliebt zu werden.
Die Ambrosia der früheren Jahrhunderte ist das täglich Brot der späteren.
Nichts besseres kann der Künstler sich wünschen als grobe Freunde und höfliche Feinde.
Es ist ein Unglück, daß ein braves Talent und ein braver Mann so selten zusammen kommen!
Es gibt eine Menge kleiner Unarten und Rücksichtslosigkeiten, die an und für sich nichts bedeuten, aber furchtbar sind als Kennzeichen der Beschaffenheit einer Seele.
Oh, die Menschen, die Menschen! Man muß sie lieben – und will ja – aber manchmal graut einem sogar sehr oft.
Eine ungeschickte Schmeichelei kann uns tiefer demütigen als ein wohlbegründeter Tadel.
Niemand ist so beflissen, immer neue Eindrücke zu sammeln, wie der, der die alten nicht zu verarbeiten versteht.
In einer Gegend, in der Waldfrevel nicht vorkommt, hat der Wald keinen Wert.
Der Maßstab, den wir an die Dinge legen, ist das Maß unseres eigenen Geistes.
Die Aufgabe vieler Dichter-Generationen ist keine andere, als das Werkzeug blank zu erhalten.
Wenn mein Herz nicht spricht, dann schweigt auch mein Verstand, sagt die Frau. Schweige, Herz, damit der Verstand zu Worte kommt, sagt der Mann.
Nichts lernen wir so spät und verlernen wir so früh, als zugeben, daß wir unrecht haben.
In seiner schönen Studie: Renan als Dramatiker, sagt Brandes: Europas Ideale wurden in Nazareth geboren.
Je ungebildeter ein Mensch, desto schneller ist er mit einer Ausrede fertig.
Der abscheulichste Einbruch ist der in die heiligen Gefühle eines Menschen.