Zitate von Richard Dehmel
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… denn Inbrunst ist die Freiheit der Gestalt vom Zwang der Welt, vom Bann der eignen Seele.

Einige Wochen selbstbeschaulicher Muße lassen dich begreifen, wie leicht man sich die Augen für sein Eigenstes monate- und jahrelang durch fremde Brillen verdirbt.

Gib mir nur die Hand, Nur den Finger, dann Seh‘ ich diesen ganzen Erdkreis Als mein Eigen an!

Dass du über der Zukunft nur nicht ihr stetes Dasein vergisst! Es gibt eine Gegenwart, die ewig ist.

Du sollst deine herzwarmen Augen heller aufmachen, dann wirst du zum goldensten Traum erwachen.

Sich mit Würde ins Unvermeidliche schicken ist nur dann eine heilige Handlung, wenn man alles getan hat, es zu vermeiden; sonst wird die Ehrfurcht vorm Schicksal leicht zur Pose, mit der wir unsre Bequemlichkeit, unsre Herzensträgheit maskieren.

Nicht zu lange rückwärts schauen! Die „großen Alten“ sind Gipfel, zu denen man nicht aufsehn, sondern die man besteigen soll, um neue Fernsicht zu gewinnen.

Man muß erst dahintergekommen sein, daß die menschliche Lebensgemeinschaft durchaus keine Selbstbefriedigungsanstalt ist, sondern ein fortwährendes Opferfest. Sehe jeder zu, daß er ein möglichst göttliches Opferlamm werde!

Mensch, du sollst dich selbst erziehen, und das wird dir mancher deuten: Mensch, du mußt dir selbst entfliehen. Hüte dich vor diesen Leuten!

Selbst wenn wir im schönsten Chor sängen, Menschen und Vögel und Sterne zusammen, so sänge doch jedes für sich allein, es wäre alles nur Stimme der Sehnsucht, nur Wettgesang ums Verschwiegenste.

Immer wieder, wenn wir sinnen, stürzt die Welt in wilde Stücke; immer wieder, still von innen, fügen wir die schöne Brücke.

Ich weiß ein Wort, Das setzt mich über alles fort, Über Raum und Zeit Und Traurigkeit: Ich und die Zukunft!

Ich habe es mir längst abgewöhnt, meine Ansprüche an mich selbst, zumal da sie ziemlich wandelbar sind, auf andre Menschen auszudehnen; man hat bei weitem mehr vom lieben Nächsten, wenn man ihn dankbar so hinnimmt, wie er sich gibt.

Traurige Wahrheit „Du bester Mensch, den’s gibt, willst von der Menschheit lassen?“ Ach, wer die Menschheit liebt, der lernt die Menschen hassen.

Wenn du auch irrst auf den Bergen des Strebens: Nichts ist vergebens, denn du wirst. Nur bleib Herr deines Strebens!

Willst du von Gott neue Wunderzeichen, arbeite! Willst du alten Göttern wunderlos gleichen, genieße! Willst du nichts Göttliches erreichen, verzweifle!

Aus der Enge in die Weite drängt die Seele, lockt das Leben. O entfalte, Herz, dein Streben, eh’s der Tod ins All befreite.

Wir haben auch Arbeit, und gar zu zweit Und haben die Sonne und Regen und Wind. Und uns fehlt nur eine Kleinigkeit, Um so frei zu sein, wie die Vögel sind; Nur Zeit.

Rings um unsere Himmelsleiter Toben Liebe, Lob, Haß, Spott, Unter uns Millionen Streiter, Über uns der stille Gott.

Die Vernunft mag noch so zielbewußt über das Gewissen hinwegschreiten, das Gemüt läßt sich nicht hintergehen.

Das Leben ist des Lebens Lust! Hinein, hinein mit blinden Händen, Du hast noch nie das Ziel gewußt.

Zum Donner: Wenn man immer bloß sehen wollte, was einem fehlt, dann käme ja kein Mensch in keinem Augenblick zum Lebensgenuß.

Es ist ja immer nur der Verstand, der verzweifelt, wenn uns das Unbegreifliche anpackt; und doch beruhigt er sich immer wieder, weil jenes Gefühl doch stärker ist, das uns Lust und Liebe zum Leben gibt.

Wir alle lassen uns durch die Gewöhnung viel lieber, weit bequemer, überzeugen als durch das ursprüngliche Gefühl.

Was wir an Schönheit und Kühnheit durchs Leben verlieren, gewinnen wir an Weisheit und Freiheit.

Liebe Tief und tiefer: seliges Geben, bang Empfangen – welch Verschulden! Schwellend wühlt sich Leben in Leben: wildes Wachsen, stilles Dulden.

Je sinnlicher wir leben, desto leichter geht der ganze Stoffwechsel vor sich, desto heiterer wird der Geist, desto gesünder der Körper.

Nichts, was wir lieben, nimmt uns der Tod; es lebt weiter in unserm innersten Wesen, wie es vorher in uns gelebt hat, nur daß wir’s nicht mit leiblichen Augen sehen.

Es ist ein Brunnen, der heißt Leid; daraus fließt die lautre Seligkeit. Doch wer nur in den Brunnen schaut, dem graut. Er sieht im tiefen Wasserschacht sein lichtes Bild umrahmt von Nacht. O trinke! da zerrinnt dein Bild: Licht quillt.

Ich habe keine andre Pflicht als die der Lebenslust: so glücklich als möglich zu leben.

Ruf Immer stiller stehn die Bäume, Nicht ein Blatt mehr scheint zu leben, Und ich fühle Wüstenträume Durch den bangen Mittag beben, Bis ins bange Blut mir zittern, Bis ins Herz, wie Feuerpfeile. O, ich lechze nach Gewittern! Komm, Geliebte! Eile! Eile!