seite 1
... denn Inbrunst ist die Freiheit der Gestalt vom Zwang der Welt, vom Bann der eignen Seele.
Richard DehmelEinige Wochen selbstbeschaulicher Muße lassen dich begreifen, wie leicht man sich die Augen für sein Eigenstes monate- und jahrelang durch fremde Brillen verdirbt.
Richard DehmelGib mir nur die Hand, Nur den Finger, dann Seh' ich diesen ganzen Erdkreis Als mein Eigen an!
Richard DehmelDass du über der Zukunft nur nicht ihr stetes Dasein vergisst! Es gibt eine Gegenwart, die ewig ist.
Richard DehmelDu sollst deine herzwarmen Augen heller aufmachen, dann wirst du zum goldensten Traum erwachen.
Richard DehmelSich mit Würde ins Unvermeidliche schicken ist nur dann eine heilige Handlung, wenn man alles getan hat, es zu vermeiden; sonst wird die Ehrfurcht vorm Schicksal leicht zur Pose, mit der wir unsre Bequemlichkeit, unsre Herzensträgheit maskieren.
Richard DehmelNicht zu lange rückwärts schauen! Die "großen Alten" sind Gipfel, zu denen man nicht aufsehn, sondern die man besteigen soll, um neue Fernsicht zu gewinnen.
Richard DehmelMan muß erst dahintergekommen sein, daß die menschliche Lebensgemeinschaft durchaus keine Selbstbefriedigungsanstalt ist, sondern ein fortwährendes Opferfest. Sehe jeder zu, daß er ein möglichst göttliches Opferlamm werde!
Richard DehmelMensch, du sollst dich selbst erziehen, und das wird dir mancher deuten: Mensch, du mußt dir selbst entfliehen. Hüte dich vor diesen Leuten!
Richard DehmelSelbst wenn wir im schönsten Chor sängen, Menschen und Vögel und Sterne zusammen, so sänge doch jedes für sich allein, es wäre alles nur Stimme der Sehnsucht, nur Wettgesang ums Verschwiegenste.
Richard DehmelImmer wieder, wenn wir sinnen, stürzt die Welt in wilde Stücke; immer wieder, still von innen, fügen wir die schöne Brücke.
Richard DehmelIch weiß ein Wort, Das setzt mich über alles fort, Über Raum und Zeit Und Traurigkeit: Ich und die Zukunft!
Richard DehmelIch habe es mir längst abgewöhnt, meine Ansprüche an mich selbst, zumal da sie ziemlich wandelbar sind, auf andre Menschen auszudehnen; man hat bei weitem mehr vom lieben Nächsten, wenn man ihn dankbar so hinnimmt, wie er sich gibt.
Richard DehmelTraurige Wahrheit "Du bester Mensch, den's gibt, willst von der Menschheit lassen?" Ach, wer die Menschheit liebt, der lernt die Menschen hassen.
Richard DehmelWenn du auch irrst auf den Bergen des Strebens: Nichts ist vergebens, denn du wirst. Nur bleib Herr deines Strebens!
Richard DehmelWillst du von Gott neue Wunderzeichen, arbeite! Willst du alten Göttern wunderlos gleichen, genieße! Willst du nichts Göttliches erreichen, verzweifle!
Richard DehmelAus der Enge in die Weite drängt die Seele, lockt das Leben. O entfalte, Herz, dein Streben, eh's der Tod ins All befreite.
Richard DehmelWir haben auch Arbeit, und gar zu zweit Und haben die Sonne und Regen und Wind. Und uns fehlt nur eine Kleinigkeit, Um so frei zu sein, wie die Vögel sind; Nur Zeit.
Richard DehmelRings um unsere Himmelsleiter Toben Liebe, Lob, Haß, Spott, Unter uns Millionen Streiter, Über uns der stille Gott.
Richard DehmelDie Vernunft mag noch so zielbewußt über das Gewissen hinwegschreiten, das Gemüt läßt sich nicht hintergehen.
Richard DehmelDas Leben ist des Lebens Lust! Hinein, hinein mit blinden Händen, Du hast noch nie das Ziel gewußt.
Richard DehmelZum Donner: Wenn man immer bloß sehen wollte, was einem fehlt, dann käme ja kein Mensch in keinem Augenblick zum Lebensgenuß.
Richard DehmelEs ist ja immer nur der Verstand, der verzweifelt, wenn uns das Unbegreifliche anpackt; und doch beruhigt er sich immer wieder, weil jenes Gefühl doch stärker ist, das uns Lust und Liebe zum Leben gibt.
Richard DehmelWir alle lassen uns durch die Gewöhnung viel lieber, weit bequemer, überzeugen als durch das ursprüngliche Gefühl.
Richard DehmelWas wir an Schönheit und Kühnheit durchs Leben verlieren, gewinnen wir an Weisheit und Freiheit.
Richard DehmelLiebe Tief und tiefer: seliges Geben, bang Empfangen - welch Verschulden! Schwellend wühlt sich Leben in Leben: wildes Wachsen, stilles Dulden.
Richard DehmelJe sinnlicher wir leben, desto leichter geht der ganze Stoffwechsel vor sich, desto heiterer wird der Geist, desto gesünder der Körper.
Richard DehmelNichts, was wir lieben, nimmt uns der Tod; es lebt weiter in unserm innersten Wesen, wie es vorher in uns gelebt hat, nur daß wir's nicht mit leiblichen Augen sehen.
Richard DehmelEs ist ein Brunnen, der heißt Leid; daraus fließt die lautre Seligkeit. Doch wer nur in den Brunnen schaut, dem graut. Er sieht im tiefen Wasserschacht sein lichtes Bild umrahmt von Nacht. O trinke! da zerrinnt dein Bild: Licht quillt.
Richard DehmelIch habe keine andre Pflicht als die der Lebenslust: so glücklich als möglich zu leben.
Richard DehmelRuf Immer stiller stehn die Bäume, Nicht ein Blatt mehr scheint zu leben, Und ich fühle Wüstenträume Durch den bangen Mittag beben, Bis ins bange Blut mir zittern, Bis ins Herz, wie Feuerpfeile. O, ich lechze nach Gewittern! Komm, Geliebte! Eile! Eile!
Richard Dehmel