Zitate von Stendhal
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Der gemeine Mensch findet in seiner Seele nichts, was dem Genie entspräche; sein tägliches Verdienst ist die Geduld.
Wie prächtig wäre unsere heutige Zivilisation, wenn jeder feinere Genuß mit etwas Gefahr verbunden wäre.
Liebe ist wie eine ewige Krankheit; sie kommt und geht, ohne daß der Wille auch nur die geringste Rolle dabei spielt.
Die Freuden des Privatlebens müßten ins Unendliche erhöht werden dadurch, daß sie oft der Gefahr ausgesetzt würden.
Grausamkeit ist nichts als krankes Mitgefühl. Die Macht ist nur deshalb nächst der Liebe das höchste Glück, weil man durch sie sich fähig glaubt, dem Mitgefühl zu gebieten.
Auffallend schöne Frauen erregen schon am zweiten Tag nicht mehr die gleiche Bewunderung. Das ist ein großes Unglück für sie… Weil ihre Vorzüge allen Menschen sichtbar und eine äußerliche Auszeichnung sind, so stehen auf der Liste ihrer Anbeter gar viele Dummköpfe, Serenissimi, Millionäre.
In Italien denkt man mit Recht, dass die erste Bedingung der Schönheit das gesunde Aussehen ist, ohne das es keine Wollust gibt.
Ich suche wahr und klar zu berichten, was in mir vorgeht. Ich kenne nur eine Regel: klar zu sein. Wenn ich nicht klar bin, ist meine ganze Welt vernichtet.
Nimmt man sich im Bois de Boulogne die Mühe, hundert Französinnen zu zählen, so sind achtzig davon hübsch und kaum eine ist schön.
Wann wird man erkennen, daß die Völker in Europa immer nur den Grad der Freiheit in sich wie unter sich haben, den ihr Mut ihrer Freiheit abringt?
Das Leben ist kurz, und die Zeit, die wir mit Gähnen verbracht haben, kann nicht ersetzt werden.
Überlasse deiner Frau die Verwaltung von einem deiner zwei Landgüter, und ich wette, daß ihre Bücher besser geführt sein werden als die deinen.
Die Liebe findet bei der ersten Begegnung im Gesichtsausdruck des Mannes gerne etwas, das zugleich Achtung einflößt und Mitgefühl erregt.
Bei beiden Geschlechtern ist das Schicksal des hohen Alters davon abhängig, wie man seine Jugend angewandt hat; das bewahrheitet sich vor allem bei den Frauen mit zwanzig Jahren schmeichelt man ihr, wenn sie vierzig ist, kümmert sich kein Mensch mehr um sie.
… es ist so: die Leidenschaft ist das größte Leid des Lebens. Aber es sucht nur die höheren Seelen heim.
Lieben ist eine Wonne, ein liebenswertes und uns selbst liebendes Wesen mit allen Sinnen und so innig als möglich zu betrachten, zu berühren, zu fühlen.
Besteht zwischen zwei Menschen völlige Natürlichkeit, so darf ihr Glück für gegründet gelten. Zuneigung und einige andere Gesetze des Seelenlebens machen es einfach zum größten überhaupt möglichen Glück.
Was ich beim Reisen am meisten liebe, ist das Erstaunen bei der Rückkehr. Es verklärt die albernsten Menschen und die nichtigsten Dinge.
Endlich liegt in den Jahren der Liebe, jener Spanne also, die sich in den südlichen Ländern oft auf nur zwölf oder fünfzehn Jahre, freilich die schönsten unseres Lebens beschränkt, unser Glück vollkommen in der Hand der Frau.
In der Ehe ist Treue der Frauen, wenn sie nicht auf Liebe beruht, offenbar etwas Widernatürliches.
Die englische Schönheit erscheint neben den schönen Augen der Italienerinnen arm, ohne Seele und Leben.
Die um ihre Existenz bangende Kirche klammert sich an das Papsttum wie an den letzten Notanker.
Die allermeisten Männer, besonders in Frankreich, begehren oder besitzen eine schöne Frau als ein zum Luxus erforderliches Ding, so wie man sich ein schönes Pferd hält.
Welche große Tat ist im Augenblick, wo man sie unternimmt, nicht ein Extrem, eine Utopie? Erst wenn sie vollführt ist, erscheint sie dem Durchschnittsmenschen überhaupt möglich.
Die Liebe bringt mehr Menschen ums Leben als die Langeweile. – Das glaub‘ ich schon, die Langeweile untergräbt alles, sogar den Mut zum Sterben.
Der Genuß ist ein Luxus; um ihn auszukosten, bedarf es der Sicherheit, das heißt der Gewißheit, daß man keine Gefahr läuft.
Wenn du, zärtliche Frau, dich überzeugen willst, ob der angebetete Mann dich leidenschaftlich liebt, so erforsche seine frühe Jugend.
Sobald echte Leidenschaft auf die geringsten Hindernisse stößt, erzeugt sie mit aller Wahrscheinlichkeit mehr Unglück als Glück.
Eine der lächerlichsten Verkehrtheiten auf Erden ist die, daß die Menschen das, was ihnen zu wissen not täte, schon zu wissen meinen.
Wer wird so vermessen sein, sich in eine Königin zu verlieben, ohne dass sie ihn zuvor ermutigt?