Zitate von Stendhal
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Es ist ein gewöhnlicher Gedanke, den man gerade deshalb leicht vergißt, daß tagtäglich die fühlenden Seelen immer seltener und die Verstandesmenschen immer häufiger werden.
Alles kann man sich aneignen, Wissen, Gewandtheit, nur den Mut nicht. Mut kann man nicht lernen.
Unterschied der Deutschen gegenüber alle anderen Völkern: Sie erhitzen sich beim Denken, anstatt dabei Beruhigung zu finden.
Ich habe diese Sucht, Kinder zu kriegen, nie begriffen, niedliche Puppen, die zu solchen Dummköpfen werden, daß man vor ihnen wegrennen möchte, es sei denn, sie erhalten eine strenge und unverfälschte Erziehung, und wer hat schon die Geduld, ihnen diese Erziehung zukommen zu lassen?
Ein starker Entschluß verwandelt mit einem Schlage äußerstes Unheil in einen erträglichen Zustand.
Liebe ist wie ein Fieber, das steigt und fällt, ohne daß unser Wille irgend etwas dazu tun könnte.
Wer zufällig ein Herz und ein Hemd besitzt, der verkaufe dieses, um die Umgebung des Lago Maggiore, Santa Croce in Florenz, den Vatikan in Rom und den Vesuv in Neapel zu sehen.
Es gibt im Adel weniger prosaische Seelen als im dritten Stande. Das liegt am Handel; der macht prosaisch.
Im Übrigen meine ich, daß eine Frau täglich ebenso drei bis vier Mußestunden haben soll, wie ja kluge Männer auch auf ihre Mußestunden halten.
Die erste Forderung an alles, was uns Genuß zu schenken verspricht, ist eine starke Wirkung.
Große Seelen sind nicht leicht zu erkennen, sie halten sich zurück; gewöhnlich bemerkt man nur eine gewisse Eigenheit. Es gibt mehr große Seelen als man glaubt.
Wie sonderbar ist doch unser menschliches Herz: die geliebte Frau gewährt uns immer viel mehr Reize, als sie in Wirklichkeit besitzt.
Eine Frau gewöhnt sich nicht daran, der Vernunft zu gehorchen, wie ich als ein Mann, der sich in seinem Büro täglich in sechsstündiger Arbeit mit nüchternen, verstandesmäßigen Dingen abgeben muß.
Diese eigenartige Kunstgattung wird vielleicht aussterben; sie erfuhr ihre schönste Entwicklung in Mailand in den glücklichen Tagen des Königreichs Italien.
In der Liebe kann man von keiner Undankbarkeit sprechen; die erlebte Wonne entschädigt immer, und weit über die denkbar höchsten Opfer hinaus.
Wahre Liebe macht den Gedanken an den Tod zu etwas Gewöhnlichem, Erträglichem, des Schreckens Barem, zu einem einfachen Gleichnis oder zu einem Preis, den man für gewisse Dinge gern bezahlt.
Weiblicher Stolz ist sehr empfindlich gegen etwas, was die Frauen Mangel an Feingefühl nennen.
Ein Franzose hält sich für den unglücklichsten und fast für den lächerlichsten Menschen, wenn er gezwungen ist, seine Zeit allein zu verbringen.
Bajonette und Guillotinen können eine kommende Weltanschauung ebensowenig aufhalten wie ein Haufen Goldstücke das Zipperlein.
Ohne gewisse Schwankungen macht der Besitz einer geliebten Frau nicht glücklich, ja er wird sogar unhaltbar.
Die Liebe ist ein Brunnen, aus dem wir nur soviel trinken, als wir hinein geschöpft haben, und die Sterne, die aus ihm blinken, sind nur unsere Augen, die hineinsehen.
Die italienische Sitte, eine zweistündige Oper durch eine Stunde Ballett zu unterbrechen, ist durch unsere geringe Aufnahmefähigkeit bedingt.
Frauen schätzen das Gefühlserlebnis höher als den Verstand. Das kommt daher: Weil sie in unseren gedankenlosen Sitten zufolge in Familienangelegenheiten nichts zu sagen haben, war ihnen ihr Verstand auch nie von Nutzen. Sie können ihn ja bei keiner Gelegenheit bewähren.
Die Russen imitieren die französiche Art und Weise, aber immer mit einem Abstand von fünfzig Jahren.
Die Seele dieses Volkes ist derart veranlagt, dass es Meisterwerke hervorbringen wird, sobald es glücklich ist.
Wo in der Welt gibt es einen Richter, der nicht einen Sohn oder wenigstens einen Neffen vorwärts bringen will?
Frauen mit Ehrgefühl empfinden Widerwillen vor allem Ungestümen und aller Überraschung, obgleich darin Kennzeichen der Leidenschaft liegen.
Scheußlichkeiten kommen stets aus einer kleinen Seele, die nötig hat, sich Geltung zu verschaffen.