Zitate von Charles de Secondat
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Ich nenne Frömmigkeit eine Krankheit des Körpers, die die Seele in einen Wahnsinn versetzt und deren Wesen es ausmacht, völlig unheilbar zu sein.
Unglückliches Geschick der Menschen! Kaum ist der Geist zu seiner Reife gelangt, beginnt der Körper dahinzuwelken.
Man sollte die Menschen von ihrem Glück überzeugen; sie beachten es nicht, obwohl sie es besitzen.
Im Allgemeinen wird das Verhalten eines Mannes, der die Untreue seiner Frau schweigend hingehen läßt, nicht gerügt; im Gegenteil, man lobt ihn wegen seiner Klugheit.
Um in der Welt nicht entehrt zu werden, genügt es, nur ein halber Dummkopf und ein halber Schurke zu sein.
Die Intelligenz besteht darin, daß wir die Ähnlichkeit der verschiedenen Dinge und die Verschiedenheit der ähnlichen erkennen.
Es gibt schlechte Beispiele, die schlimmer sind als Verbrechen: es sind mehr Staaten zu Grunde gegangen, weil man die Sitten, als weil man die Gesetze verletzt hat.
Man hat seine Enkel lieber als die Söhne. Denn man weiß ziemlich genau, welche Hilfe man von seinem Sohn zu erwarten hat, und kennt dessen Vermögen und Verdienst. Aber auf den Enkel blickt man voll Hoffnung und Illusion.
Zu der Zeit, als die Künste noch unbekannt waren, nannten die Menschen alles „schön“, was groß war, alles was mit einer großen Anzahl Hände geschaffen wurde.
Das Schicksal hat keinen Einfluß auf unseren Charakter, im Gegenteil: Der Charakter bestimmt das Schicksal und modelt es um.
Zwischen den Menschen besteht für gewöhnlich so wenig Unterschied, dass kaum ein Grund zur Eitelkeit vorliegt.
Mit einem Wort, die Geschichte lehrt uns zur Genüge, daß Strafgefangene nie anders als nachteilig gewirkt haben.
Die Kritiker sind wie die schlechten Feldherren, welche, weil sie außerstande sind, ein Land zu erobern, die Gewässer vergiften.
Die politische Freiheit besteht in der Sicherheit oder wenigstens in dem Glauben, den man an seine Sicherheit hat.
In den meisten Schriftstellern sehe ich nur den Menschen, der schreibt, in Montaigne den, der denkt.
Gern lesen heißt, die einem im Leben zugeteilten Stunden der Langeweile gegen solche des Entzückens einzutauschen.
Wehe dem Rufe eines Fürsten, der einer Partei unterliegt, die zur herrschenden wird, oder der ein Vorurteil zu zerstören gesucht hat, das ihn überdauert.
Der Geist ist oft dort, wo er nicht glänzt, und wie die falschen Diamanten scheint er oft zu glänzen, wo er nicht ist.
Sehr glückliche oder sehr unglückliche Leute verfallen in gleicher Weise der Hartherzigkeit; was die Mönche und Eroberer beweisen. Nur die mittlere Haltung oder die Mischung von Glück und Unglück führt zum Mitleid.
Man kann seine Eitelkeit nur befriedigen, indem man die Eitelkeit anderer verletzt.
Ein Mann, dem ein Talent mangelt, entschädigt sich dafür dadurch, daß er es verachtet: er beseitigt dieses Hindernis, das er zwischen dem Verdienste und sich findet, und findet sich damit auf der Höhe desjenigen, dessen Arbeiten er scheut.
Die Menschen gewöhnen sich an alles, selbst an die Knechtschaft, wenn nur der Herr nicht härter ist als die Knechtschaft.
Die Geschäfte müssen ihren Gang gehen und in einer gewissen gleichmäßigen Bewegung bleiben. Das Volk aber ist immer zu rasch oder zu langsam. Zuweilen wirft es mit hunderttausend Armen alles über den Haufen und zuweilen kriecht es mit hunderttausend Beinen wie die Raupen.
Freundschaft ist ein Vertrag, durch den wir uns verpflichten, kleine Dienste zu erweisen, damit wir in den Genuß größerer kommen.
Man betrachtet die Teile nur, um über das Ganze zu urteilen, man untersucht alle Ursachen, um alle Wirkungen zu erkennen.
Wenn ein Mensch im Ruf der Redlichkeit und Menschlichkeit steht, so kommt es vor, dass man ihn ausnutzen möchte; man kommt ihm mit Vorschlägen, die man keinem anderen machen würde. Man zählt auf seine Großmut.
Das gesellschaftliche Gespräch setzt eine Geistigkeit besonderer Art voraus. Es verlangt Kürze der Überlegung und der Einwände.
Wenn du regieren willst, darfst du die Menschen nicht vor dir herjagen. Du mußt sie dazu bringen, dir zu folgen.
Es ist gut, daß es in der Welt Gutes und Schlechtes gibt; sonst wäre man verzweifelt beim Abschied vom Leben.
Eine Vielzahl von Frauen bewahrt uns vor ihrer Herrschaft, sie dämpft die Heftigkeit unseres Verlangens.
Der Hauptpunkt einer guten Verwaltung ist leicht zu erfassen: Er besteht darin, die Ausgaben den Einnahmen anzupassen.
Wenn ein Gesetz nicht notwendig ist, ist es notwendig, das Gesetz nicht zu erlassen.