Zitate von Christoph Mauny

Es gibt eine Art Intelligenz, die der menschlichen Ratio Millionen Jahre voraus ist: die Natur in uns, die Überlebenskunst, die wir unbewusst in uns tragen. Sie steckt in den Zellen und ihrem Verbund.

Seit dem ersten goldnen Lächeln und seit dem ersten goldnen Werk strebt der Mensch wie ein Abhängiger nach der Wiederholung dieses alten Glücksrausches der Anerkennung seiner Handlungen. „Stolz“ trifft nur die Oberfläche, tief wirkt die Bestätigung als Sinn seiner individuellen Existenz.

Unter unseren Füßen türmen sich Städte, Körper und Ideen. Menschliche Erfahrung, geschichtet in Stockwerke der Zeit, ineinandergebröckelt und vergessen.

Hören wir auf den Chor im fünften Auftritt von Sophokles‘ Elektra, der die Untoten besingt: Wir müssen die Erfahrungen der Toten lebendig halten, das sind wir ihnen schuldig.

Eine kritisch-theoretische Kunst ist eine Kunst des Zusammenhangs. Sie historisiert das Aktuelle und aktualisiert das Historische. In ihr sind die Toten nicht tot und die Lebenden noch nicht am Leben.

Der Anfang allen Denkens ist sinnliches Ereignis. Aus dem Trauma des Verlusts und dem Widerstand gegen den Tod, so sagt man, gebar das Gefühl die Vernunft – um sich das Abwesende zurückzuholen, in der Imagination. Vernunft ohne Einfühlung ist keine.

Der Fünfjährige, die Urgroßmutter, die Menschheitsgeschichte, die Urzellen in mir. In einem menschlichen Lebenslauf koexistieren parallele Leben, die changieren, sich überlagern und sich nicht immer eins sind.

Das Vertrauen gilt dem Zwerchfell, denn es besitzt autonome, antiautoritäre Widerstandskraft: sich freilachen.

Diese abgründige Macht der Verdrängung hält uns am Leben. Wir müssten Nietzsche befragen, den großen Lebensbejaher, ob es wahr ist: Sie ist der trotzigste Wille zum Leben.

Schon auf dem tiefen Grund der Freudentränen zur Geburt (in ihrem Salzgehalt den Urmeeren gleich) liegt es einsam und verdammt: das Wissen um Endlichkeit, die Trennung von unseren Liebsten.

Es gibt keine alten Ideen. Oder vielmehr gibt es nur alte Ideen. Sie wandern durch die Zeiten und die Köpfe, metamorph. Sie drängen an die Oberfläche. Und in jedem Moment sind sie nicht nur möglich, sondern immer schon wirklich, insofern sie uns bewegen und wir sie.