Zitate von Jean Antoine Petit-Senn
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Wenn unsere Freunde uns versichern, daß sie unsere Freuden und Leiden teilen, so mag das vielleicht zur Hälfte wahr sein.
Jemanden über eine schon vollzogene Sache zurate ziehen, heißt nicht seine Meinung darüber zu vernehmen, sondern seinen Beifall.
Die Zeiten der politischen Krisen haben nur Meinungen; die Tugenden zählen nicht.
Oft behaupten wir Dinge zu verstehen, mehr um unserer Intelligenz, als der Wahrheit Ehre anzutun.
Der Neid schwärzt, wie die Flamme, alles, was über ihn hinweggeht, und was er nicht erreichen kann.
Ein geteilter Kummer verändert sich eben so sehr, wie ein Vergnügen, das nicht geteilt wird.
Um das stürmische Meer der Leidenschaften umsegeln zu können, ist die Heirat mit einer guten Frau ein sichrer Hafen im Ungewitter; mit einer bösen aber zieht der Sturm in den Hafen ein.
Der Unkluge denkt über das nach, was er gesagt hat; der Kluge aber über das, was er sagen will.
Man ist viel weniger unglücklich, noch nicht reich zu sein, als wenn man es schon gewesen ist.
Für viele Redner ist es besser, von sich reden zu hören, als selbst zu sprechen.
Glauben wir immer nur die Hälfte von dem Guten, das man von uns sagt, und von dem Bösen, das man über andere ausstreut.
Nichts ist widerlicher, als Menschen, welche immer zu den Meinungen Anderer Ja sagen; man könnte ebenso gut sich mit dem Echo unterhalten.
Viele Redner reden um zu reden, andere um gut zu reden, alle aber um von sich reden zu machen.
Zwei Ursachen im Leben entfernen uns unsere Freunde: ihr Wohlstand, der nun unser nicht bedarf, und ihr Unglück, in dem sie uns notwendig hätten.
Die Schönheit und die Häßlichkeit verschwinden gleicherweise unter den Runzeln des Alters; die erste verschwindet darunter, die andere versteckt sich darin.
Durch das Vergrößerungsglas betrachtet man die Vorzüge derer, die man liebt, und die Fehler derer, die man hasst.
Es gibt unbedeutende Leute genug, die sich überall zeigen, die man aber nirgends sieht.
In den Augen der Weltkinder hat man besser getan, ein Vermögen zu erwerben, sei es auf welche Weise es wolle, als es zu verlieren.
Unter den Schriftstellern wenden die Armen an Gütern ihre Kleider, die Armen im Geiste aber ihre Gedanken.
Derjenige, der die Fehler eines andern durch die Brille seiner eigenen Tugenden betrachtet, ist gern geneigt, sie zu verzeihen; die Nachsicht ist die Tochter einer reinen Seele.
Wenn Plauderer uns ein Geheimniß anvertrauen, so geschieht dies unter der Bedingung, es Niemand weiter zu sagen: es ist dies ein Monopol, das sie sich vorbehalten, um es Allen sagen zu können.
Wir fühlen uns durch die Achtung der Großen geschmeichelt, aber nur die Achtung der Kleinen ist es, die uns selbst ehrt.
Die Sonne beleuchtet niemals zu gleicher Zeit alle Theile unseres Körpers; ebenso kann die Vernunft nicht alle Seiten unseres Geistes erleuchten.
Das Mißgeschick, das uns nachsichtig gegen andere macht, macht sie oft hart gegen uns selbst.
In allem was den Eigensüchtigen umgibt, sieht er nur einen großen Rahmen, dessen Bild er selbst zu sein glaubt.
In der Welt verschwendet man seinen Geist, in der Zurückgezogenheit vermehrt man ihn.
Eine Geliebte liebt man am meisten, eine Frau am besten und eine Mutter immer.
Je mehr unser Vermögen abnimmt, desto ungescheuter sprechen unsere Freunde sich gegen uns aus; dieser Freimut ist vollständig, sobald wir nichts mehr haben.
Um in seinen Arbeiten vorwärts zu kommen, muss man die Bedeutung derselben höher anschlagen; die Eigenliebe hilft uns außerordentlich dabei.
Die Schamhaftigkeit und der Tau lieben das Dunkel; beide glänzen dagegen nur am Tage, um zum Himmel zu steigen.
Der Stolz ist der Vater oder der Sohn unserer Handlungen; er ist der Grundstein oder der Giebel derselben; er ist oben oder unten, aber er ist da.
In jeglicher Unterhaltung, selbst mit der liebenswürdigsten Person, finden wir uns ebenso sehr von unserer Antwort ergötzt, wie von dem, was uns gesagt wird.
Es gibt einen nationalen Egoismus. Was ein Fehler bei einem einzelnen Menschen ist, kann das eine Tugend bei einem Volke sein?
Ein blinder Glaube ist mehr wert, als ein erleuchteter Zweifel; denn für einen Christen heißt glauben – hoffen.