Zitate von Jean de La Bruyère
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Freiheit ist nicht Müßiggang, die besteht im freien Gebrauch der Zeit, in der freien Wahl von Arbeit und Tätigkeit, mit einem Wort: Frei sein bedeutet nicht Nichtstun, sondern Herr sein über sein Tun und Lassen.

Das Duell ist der glänzendste Sieg der Mode und zugleich die Unsitte, wo ihre Tyrannei am stärksten in Erscheinung getreten ist.

Menschen, die ihre Zeit schlecht verwenden, sind die ersten, die sich über deren Kürze beklagen.

In der Liebe gibt es kaum einen anderen Grund, sich nicht mehr zu lieben, als daß man sich zu sehr geliebt hat.

Am sichersten macht man Karriere, wenn man anderen den Eindruck vermittelt, es sei für sie von Nutzen, einem zu helfen.

So nah verwandt Eifersucht und Nacheiferung scheinen, sie stehen doch in einem Abstand wie Laster und Tugend.

Lächerlich machen, was es nicht ist, heißt sozusagen schlecht machen, was gut war.

Eine Frau, die nur einen Liebhaber hat, glaubt, sie sei nicht kokett; die, welche mehrere hat, glaubt, sie sei nur kokett.

Ich möchte einen nüchternen, maßvollen, keuschen, rechtlich denkenden Menschen behaupten hören, es gebe keinen Gott: Ein solcher Mensch würde wenigstens ganz uneigennützig sprechen. Doch er ist nicht zu finden.

Die Frauen fühlen sich den Männern enger verbunden durch die Gunst, die sie ihnen gewähren, die Männer werden durch eben diese Gunstbeweise geheilt.

Der Mensch scheint sich bisweilen selbst nicht zu genügen; Dunkel und Einsamkeit versetzen ihn in Unruhe, stürzen ihn in grundlose Furcht und eitlen Schrecken; in solchen Augenblicken ist Langeweile noch das kleinste Übel, das ihm widerfahren kann.

Nichts kann der Mensch weniger vermissen als den Menschen. Und ohne Liebe und Freundschaft kann man nicht mehr leben, wenn man sie einmal erlebt hat. Und die Verzweiflung über die eigene Dummheit wird größer, wenn man sie mit sich allein austragen muß.

Sich bei seiner Arbeit nicht beraten noch verbessern zu lassen, zeugt von pedantischem Geist.

Es ist eine übertriebene Zuversicht der Eltern, alles von der guten Erziehung ihrer Kinder zu erhoffen, und ein großer Irrtum, gar nichts davon zu erwarten und sie deshalb zu vernachlässigen.

Man kann es auf zweierlei Art zu etwas bringen: durch eigenes Können oder durch die Dummheit der anderen.

Eine Narrheit, die recht von unserem Wesen zeugt, ist die Abhängigkeit von der Mode.

Man darf sich die nicht zum Feind machen, die bei näherer Bekanntschaft unsere Freunde werden könnten.

Ein Mensch, der viel Verdienst und Geist hat und dafür bekannt ist, ist selbst mit ungestaltem Gesicht nicht häßlich; mindestens wirkt er nicht häßlich.

Menschlich zu reden, hat der Tod eine schöne Bestimmung, die darin besteht, dem Alter ein Ziel zu setzen.

Wenn der Mensch über sich selbst erröten könnte, wie viele böse Taten, verborgene und öffentlich bekannte, würde er sich ersparen.

Ein Greis ist stolz, hochmütig und von ungeselligem Wesen, wenn er nicht viel Geist besitzt.

Die Fehler der Toren sind oft so plump und so schwer vorauszusehen, daß sie die Klugen irreleiten und nur denen Vorteil bringen, die sie begehen.

In der Freundschaft vertraut man seine Geheimnisse an, in der Liebe entschlüpfen sie einem.

Die Logik scheint mir die Kunst zu sein, jemanden von einer Wahrheit zu überzeugen, und die Beredsamkeit eine Fähigkeit des Geistes, womit man Herz und Verstand der Zuhörer erobert.

Wenn ein Dichter die Verse eines anderen Poeten lobt, so kann man wetten, daß sie schlecht und wertlos sind.

Es gibt für den Menschen nur drei Ereignisse: Geburt, Leben und Tod. Der Geburt ist er sich nicht bewusst, der Tod ist ihm ein Schmerz, und er vergisst zu leben.

In jungen Jahren sammelt man Schätze für sein Alter; im Alter spart man für den Tod. Der verschwenderische Erbe richtet ein prächtiges Leichenbegräbnis aus und verpraßt das übrige.

Es ist schwer zu entscheiden, ob die Unentschlossenheit den Menschen mehr unglücklich oder mehr verächtlich macht.

Wir müssen danach streben, irgendein Amt wirklich zu verdienen; alles weitere geht uns nichts an, es ist Sache der andern.

In der Jugend legen wir für das Alter zurück, im Alter sparen wir für den Tod. Der verschwenderische Erbe zahlt für ein großartiges Begräbnis und verzehrt den Rest.

Wie viele vortreffliche Männer von den schönen Gaben sind gestorben, ohne daß man von ihnen gesprochen hätte! Wie viele leben noch, von denen man nicht spricht und nie sprechen wird!

Wir stimmen den anderen nur zu, wenn wir eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen und uns empfinden.

Der Geist verbraucht sich wie alle Dinge, die Kenntnisse sind seine Kost; sie nähren und verzehren ihn.

Ein Eitler findet seine Rechnung dabei, Gutes oder Schlimmes von sich zu reden; ein Bescheidener spricht gar nicht von sich.

Die wahre Größe ist ungezwungen, vertraulich, leutselig. Sie läßt sich nahe kommen und mit sich umgehen; sie verliert nichts, wenn man sie in der Nähe sieht; je mehr man sie kennen lernt, desto mehr bewundert man sie.

Für sich selbst genügt ein einziger treuer Freund, und es bedeutet viel, ihn zu besitzen. Um anderen gefällig zu sein, kann man nie genug Freunde haben.

Es gibt sonderbare Väter, deren ganzes Leben damit erfüllt ist, ihren Kindern Gründe zu verschaffen, sich über ihren Tod zu trösten.

Zwischen dem Herrscher und seinen Untertanen und zwischen Untertanen und Herrscher besteht ein Austausch gegenseitiger Pflichten: Welche drückender und mühseliger sind, wage ich nicht zu entscheiden.

Daß man so wie die anderen handeln müsse, ist eine bedenkliche Regel, die fast stets zu bedeuten hat, daß man schlecht handeln müsse.

Manchen bringen lange Reisen vollends ins Verderben und um die letzte Spur von Religion.