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[...] Meinst Du, ich könne je dem Unrechterliegenden mich lossagen und auch nur in Gedanken übergehen zu dem Unrecht, das vor der Welt Recht behält, ich fühle, es liegt größere Freiheit darin, mit dem Unterdrückten die Ketten tragen und schmählich vergehen, als mit dem Unterdrücker sein Los teilen.
Bettina von ArnimVon der Wissenschaft soll man sich Leben einhauchen lassen wie vom Geist der Natur, der Forschergeist im Busen des Menschen soll sie einsaugen, wie der Atem die Luft trinkt.
Bettina von ArnimWir sind so dumm, wir fürchten uns, Selbst zu werden; wir umgehen uns wie könnten wir an unsere persönliche Fortdauer glauben, da wir noch keinen Anfang in uns genommen haben.
Bettina von ArnimAuch der sinnliche Schlaf soll so genossen werden, daß er ein geistiger Balsam ist.
Bettina von ArnimKeiner soll sich hüten oder sich um sein Schicksal kümmern, wenn er das Rechte liebt; sein Geist ist erfüllt, was nützt das andere!
Bettina von ArnimAuf jeden Fall ist das Göttliche die Leidenschaft, die das Menschliche verzehrt. Liebe spricht nichts für sich aus, als daß sie in Harmonie versunken ist; Liebe ist flüssig, sie verfliegt in ihrem eigenen Element; Harmonie ist ihr Element.
Bettina von ArnimDer Irrthum der Kirchenväter, Gott sei die Weisheit, hat gar manchen Anstoß gegeben; denn Gott ist die Leidenschaft.
Bettina von ArnimTalent überzeugt, aber Genie nicht; dem, dem es sich mitteilt, gibt es die Ahnung vom Ungemessenen, Unendlichen, während Talent eine genaue Grenze absteckt und so, weil es begriffen ist, auch behauptet wird.
Bettina von ArnimWas einem doch gleich Lebensübermut durchströmt, wenn die Menschheit nicht so ängstlich am Besitztum klebt!
Bettina von ArnimJa, ewiger Rausch der Liebe und Nüchternheit des Verstandes. Ihr stört einander nicht, die eine jauchzt Musik, die andre liest den Text...
Bettina von ArnimErkenne erst alle Sterne und das Letzte, dann kannst du zweifeln, bis dahin ist alles möglich.
Bettina von ArnimIn der Dunkelheit der Nacht so allein, da wird das Tiefste, was man will, recht deutlich!
Bettina von ArnimOffenbarung ist das einzige Bedürfniß des Geistes, denn das höchste ist allemal das einzigste Bedürfniß.
Bettina von ArnimUnendlich schön ist Eros und seine Schönheit durchleuchtet die Psyche wie das Licht die Rose.
Bettina von ArnimO Menschheit, wo bleibt dein Wohl? Soll das immer aufs neue von dem albernen Samum der Aufgeblasenheit, der dahergestoben kommt in der Wüste, unter den alten Sand begraben werden?
Bettina von ArnimVon innen heraus lernt man Sehen, Hören, Fühlen, um das Äußere ins Innere zu verwandeln, das ist nicht anders, als wie wenn die Bienen den Blumenstaub in die Kelche vertragen, die für die Zukunft sich befruchten sollen.
Bettina von ArnimWie weit geht Liebe? Sie entfaltet ihre Fahnen, sie erobert ihre Reiche; im Freudenjauchzen, im Siegestoben eilt sie mit, ihrem ewigen Erzeuger zu. So weit geht Liebe, daß sie eingeht, von wo sie ausgegangen ist.
Bettina von ArnimDas Sinnliche ist Symbol des Geistigen, ist Spiegel einer noch nicht in die geistige Erfahrung getretenen Wahrheit.
Bettina von ArnimSehnsucht ist die rechte Fährte, sie weckt ein höheres Leben, gibt helle Ahnung noch unerkannter Wahrheiten, vernichtet alle Zweifel und ist die sicherste Prophetin seines Glücks.
Bettina von ArnimWas wir vergessen, töten wir, wessen wir gedenken, das beleben wir. Was uns vergißt, das tötet uns. Jede Sehnsucht ist Begierde zu bilden, zu gebären, jede Erinnerung ist eine Wiedergeburt.
Bettina von ArnimEin Verstand, der die Füße in einem Sack von Vorurteilen stecken hat, der kann nicht nach dem Ziel laufen.
Bettina von ArnimUnd glaub nur nicht, daß alle Menschen leben, die sind zwar lebendig, aber sie leben nicht.
Bettina von ArnimWen das Unglück recht anbraust, den treibt's nicht hin und her - es versteinert ihn, wie Niobe.
Bettina von ArnimEin Rätsel muß das andere lösen, und die Revolutionen treten einander auf die Ferse, das beweist die Geschichte unserer Tage.
Bettina von ArnimIst das kein gerechter Anspruch: daß ich bin, und der Hilfe bedarf, die du geben kannst!
Bettina von ArnimIm Widerspruch, wenn er einem auch in die Quere kommt, liegt doch eine Entscheidung; man besinnt sich und weiß am End', was man tun soll.
Bettina von ArnimAch Gott das Philistertum ist eine harte Nuß, nicht leicht aufzubeißen, und mancher Kern vertrocknet unter dieser harten Schale.
Bettina von Arnim