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Du bist viel weniger verlassen und vergessen als du es wähnst, du bist von vielen umgeben, die deiner warten, aber du glaubst es nicht in der Stunde, welche du Verzweiflung nennst.
Carmen SylvaNein, liebe Seele, so lange du auf der Erde bist, hat die Natur Gewalt über dich, du bist ihr anvertraut, sie ist deine Mutter, sie ist dein Leben und deine Kraft.
Carmen SylvaDas wunderschöne, duftende, herrliche Brot! Wie gut könnten wir von Brot, Milch und Früchten leben und brauchten die sogenannten Tafelfreuden gar nicht, die so vielen Wesen das Leben kosten.
Carmen SylvaAch! In wie vielem sind uns die Tiere oft überlegen. Wir wollen es oft nicht sehen und leugnen, daß sie eine Seele haben, und sie beschämen uns jeden Augenblick mit ihrer Seelengröße und Aufopferungsfähigkeit.
Carmen SylvaDie Menschen haben viel weniger Gewalt über dich, als sie es meinen, da sie über deine Gedanken keine Macht haben. Die sind dein und bleiben dein, was sie auch sagen und wie sehr sie auch schreien mögen.
Carmen SylvaWir wissen vielleicht gar nicht, wie wahr wir sind, wenn wir von Seelentiefen sprechen, denn wir haben oft Überraschungen von Eigenschaften, die uns verhüllt blieben, bis zu einem gewissen Augenblick.
Carmen SylvaDummheit stellt sich in die erste Reihe, um gesehen zu werden; der Verstand stellt sich zurück, um zu sehen.
Carmen SylvaChristus ist freiwillig in den Tod gegangen, weil er wohl wußte, daß, wenn er seine Lehre nicht mit seinem Blute besiegelte, sie keinen Glauben finden würde.
Carmen SylvaGeduld ist eine Tat. Geduld ist eine Kette von Taten, Geduld ist gipfelnde Willensstärke.
Carmen SylvaWer keinen Willen hat, ist immer ratlos, und wer kein Ziel noch hat, ist immer pfadlos, und der nicht Früchte hat, ist immer saatlos, und der kein Streben hat, ist immer tatlos.
Carmen SylvaDer Mensch hat zu sehr die Einbildung, daß die Natur sein Werkzeug ist und von ihm mißbraucht werden darf, und nicht genug Andacht vor Gottes Schöpfung, an der er gar keinen Theil hat.
Carmen SylvaDenn die Liebe ist selten so groß und so stark, wie sie in den Büchern steht, oder wie die Menschen sich selbst einbilden möchten, daß sie es ist.
Carmen SylvaDas politische Wörterbuch ist sehr beschränkt: Das Wort Mitleid kommt u.a. nicht darin vor.
Carmen SylvaDas ist wohl das Bitterste in deinem Leben, wenn das Hoffen daraus ausgelöscht wird, wenn du selbst verzichten mußt, wo du sicher geglaubt hattest, etwas zu erreichen, wo du deines Herzens heißesten Wunsch als unerreichbar aufgeben mußt und entsagen, wo du besitzen solltest.
Carmen SylvaSo roh war ja kein Volk, daß es nicht versucht hätte, mit Muscheln und Steinen und Schnitzen und Farben das Schöne nach dem Maße seines Könnens darzustellen.
Carmen SylvaDas Glück ist nicht in einem ewig lachenden Himmel zu suchen, sondern in ganz feinen Kleinigkeiten, aus denen wir unser Leben zurechtzimmern.
Carmen SylvaWenn die Menschen sich von Brot, Gemüse und Früchten ernährten, so würden die Männer ihren Unterhalt erwerben können, wenn die Frauen nicht prachtvolle Hüte brauchten, so würden sie nicht auch Brot verdienen müssen.
Carmen SylvaAngst entwürdigt dich so sehr, daß sie dich sogar zum allerelendesten Menschen, zum Lügner machen kann.
Carmen SylvaSei stolz und frei beim Fühlen und Denken: Gott hat dir Herzensfreudigkeit gegeben, um alles rings mit Fülle zu beleben und Kraft genug, dein Erdenschiff zu lenken.
Carmen SylvaDu musst die Menschen sehr genau kennen, bevor du den Mut gewinnst, nur du selbst zu sein.
Carmen SylvaDer Mann ist eifersüchtig auf seiner Gattin Geist, Talente, kurz auf alles, womit sie glänzen kann, wodurch er fürchtet, in den Schatten gestellt zu werden.
Carmen SylvaDie Männer sind in der Stunde der Müdigkeit große Kinder und wollen von dem, was sie am liebsten haben, gepflegt sein, und erquickt und gehütet.
Carmen SylvaDu kannst die Leute nicht lehren, deine Sprache zu sprechen, sprichst du nicht zuvor die ihre.
Carmen SylvaDer Sturm sprach einst: Ich kenne die Welt, denn ich zerpflücke sie; da sprach der Reif: Ich kenne sie näher, ich erdrücke sie; die Sonne lacht: Ich kenne sie besser, ich beglücke sie.
Carmen SylvaDie Menschheit geht nicht mit Riesenschritten und Siebenmeilenstiefeln, sondern mit Schneckenschritten und oftmals denselben Weg hin und wieder, bis sie sich entschließt, voranzuschreiten.
Carmen SylvaEs müssen außergewöhnliche Verhältnisse sein, bis eine Frau lernt, sich selbst zu verachten. Denn sogar eine vor der Welt verpönte Liebe ist in ihren eigenen Augen geheiligt durch die Aufopferung, die sie hineinträgt.
Carmen SylvaPflichttreue ist eines der schönsten Wörter der lieben deutschen Sprache; sie kann stolz sein, es zu besitzen.
Carmen SylvaDer Sieg ist oftmals nicht mehr deine Sache. Den feiern andre, die nicht in der Schlacht gestanden haben, sie werden mit Ehren und Kränzen bedeckt über deine und noch viele andere Leichen hinweg.
Carmen SylvaDas Leben ist eine Kunst, in der man zu oft Dilettant bleibt. Um Meisterschaft zu erringen, muß man sein Herzblut vergießen.
Carmen SylvaSobald in der Ehe der Gedanke an Geduld auftaucht, ist sie eigentlich schon keine Ehe mehr, denn die Liebe ist fort, auf der dieses Verhältnis sich allein aufbauen und erhalten kann.
Carmen SylvaDie Angst vor dem Tode ist wiederum rein körperlich, denn die Seele wünscht sich oftmals die Befreiung, wenn der Körper sich oftmals vor dem Sterben graust.
Carmen Sylva