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Nietzsche, die große Antithese seiner Zeit.
Christian MorgensternWenn dich die Menschen nicht absichtlich verwunden, so tun sie's gewiß aus Ungeschicklichkeit.
Christian MorgensternMan muß Gott schon in Zwei teilen, wenn seine schönste Empfindung, die Liebe, nicht allerletzten Endes Selbst-Liebe sein soll.
Christian MorgensternSeßhaft werden, Tempobändigung, Tempobeherrschung.
Christian MorgensternEure Todesstrafe, noch mehr Euer Kriegführen, Ihr Menschen, ist nicht mehr und nicht weniger als - Selbstmord.
Christian MorgensternWohin können wir denn sterben, wenn nicht in immer höheres, größeres - Leben hinein!
Christian MorgensternMöchten sich doch alle darüber klar werden, daß wir außer Männchen und Weibchen auch noch Menschen sind.
Christian MorgensternGlaubt ihr, ein Asket wolle weniger herrschen als ein Weltmann?
Christian MorgensternMein nächstes Buch soll "Auferstehung" heißen, wenn mir noch eine Auferstehung beschieden sein sollte, im größten Sinne.
Christian MorgensternDein Sein gilt, nicht dein Schein.
Christian MorgensternIch verbrenne an meinem eigenen Maßstab.
Christian MorgensternAlle Geheimnisse liegen in vollkommener Offenheit vor uns. Nur wir stufen uns gegen sie ab, vom Stein bis zum Seher. Es gibt kein Geheimnis an sich, es gibt nur Uneingeweihte aller Grade.
Christian MorgensternMan müßte sein Ich nicht immer mit sich identifizieren, sondern wie eine Mutter ihr Kind behandeln.
Christian MorgensternOh, wer um alle Rosen wüsste, die rings in stillen Gärten stehen. Oh, wer um alle wüsste, müsste wie im Rausch durchs Leben gehen.
Christian MorgensternInmitten unzähligem Hin- und Herreden der Einzelnen wächst still und groß das ewige Weisheitsgut der Menschen weiter.
Christian MorgensternJeder kann von Christus etwas fortnehmen. Verstehen aber wird ihn alle fünfzig Jahre - vielleicht - Einer.
Christian MorgensternDie Sitte des In-den-April-Schickens ist bei uns lange nicht genug verbreitet und geübt. Der erste April müßte ein wahrer Festtag für die Nation werden, ein Dies Saturnalius - in jedem Falle ein liebenswürdigerer Feiertag als mancher offizielle.
Christian MorgensternAlles für die Welt!
Christian MorgensternSieh, das ist Lebenskunst: Vom schweren Wahn des Lebens sich befrein, fein hinzulächeln übers große Muß.
Christian MorgensternAn jeden guten Gedanken, jede gute Empfindung einen Stein hängen, sie verankern. Damit zusammenhängend: Seßhaft werden, Tempobändigung, Tempobeherrschung.
Christian MorgensternMit allem Großen ist es wie mit dem Sturm. Der Schwache verflucht ihn mit jedem Atemzug, der Starke stellt sich mit Lust dahin, wo's am heftigsten weht.
Christian MorgensternIch weiß, warum ich mich verbeiße ins bunte Schürzentuch der Welt, (...) denn sieh: Ich glaube nichts von allen den Geisterwelten, die du nennst.
Christian MorgensternOh, Glück auszugießen über die Welt! Augen leuchten, Herzen erheben machen!
Christian MorgensternDie Hälfte allen Unglücks - vom gröbsten bis zum feinsten - geht auf Unwissenheit oder Denkfehler zurück, gewollte oder ungewollte Ungeistigkeit.
Christian MorgensternDie zur Wahrheit wandern, wandern allein.
Christian MorgensternWer die Welt nicht von Kind auf gewohnt wäre, müßte über ihr den Verstand verlieren. Das Wunder eines einzigen Baumes würde genügen, ihn zu vernichten.
Christian MorgensternSchlachtfelder sind wir allesamt, auf denen Götter sich bekriegen.
Christian MorgensternDer Steig war steil, doch wagten wir's gemeinsam... Und heut noch helfen wir uns, Hand in Hand.
Christian MorgensternArithmetische Progression Ein Paar Zeitungen zwei Parteizungen. Zwei Paar Zeitungen vier Parteizungen usw.
Christian MorgensternManche Leute müssen über ihre Dummheit durchaus öffentlich quittieren.
Christian MorgensternDie meisten Menschen verdunsten einem, wie ein Wassertropfen in der flachen Hand.
Christian MorgensternMan kann wohl sagen, daß das Geschlecht zwei Drittel aller möglichen Geistigkeit auffrißt.
Christian MorgensternIn dem lateinischen Wörtchen "duo" ist nur das deutsche Du sichtbar enthalten; das "Ich" ruht unsichtbar und doch ewig lebendig darin, wie unter Menschen das geliebte Ich im Herzen des liebenden Du.
Christian MorgensternDie Entwickelung der Fahrzeuge verfolgt langsam denselben Weg wie die religiöse Entwickelung. Der Vorspann verschwindet, die bewegende Kraft wird ins Innere selbst verlegt.
Christian MorgensternAlle wahrhaft großen Dichtungen sind Variationen zum Schicksalsliede, seien es Maestosi, Allegri oder Scherzi.
Christian MorgensternWehe und Wohl dem Menschen, der an keine Ungerechtigkeit mehr glaubt.
Christian MorgensternA. Was, was ist's, was den Menschen vom Christus trennt; sagen Sie mir das, können Sie mir das sagen? B. Ja, das kann ich. Der Philister in ihm!
Christian MorgensternGott wäre etwas gar Erbärmliches, wenn er sich in einem Menschenkopfe begreifen könnte.
Christian MorgensternDie meisten Menschen sprechen nicht, zitieren nur. Man könnte ruhig fast alles, was sie sagen, in Anführungsstriche setzen; denn es ist überkommen, nicht im Augenblick des Entstehens geboren.
Christian MorgensternIm Sohn will die Mutter Mann werden.
Christian MorgensternMit keinem Köder fischt Mephisto so glücklich, als mit allem, was im Engeren und Weiteren unter den Begriff des Schlagworts fällt.
Christian MorgensternIm Anfang war - Mein Ziel.
Christian MorgensternWer das Wunder nicht als das Primäre erkennt, leugnet damit die Welt, wie sie ist, und supponiert* ihr ein Fabrikspielzeug.
Christian MorgensternEs gibt keine Wahrheit an sich. An sich ist einer der größten Materialismen der Epoche.
Christian MorgensternNur wer sich selbst verbrennt, wird den Menschen ewig wandernde Flamme.
Christian MorgensternFür jeden Menschen, sagt Goethe, kommt der Zeitpunkt, von dem an er wieder "ruiniert" werden muß. So auch: für jede Kulturperiode.
Christian MorgensternOhne Phantasie hätte die Menschheit den Mut zum Weiterexistieren längst verloren.
Christian MorgensternWer das feine zweite Ohr für den Souffleur hat, sieht die Geschichte der Menschheit anders an.
Christian MorgensternIm Abschied schwingt stets die Furcht mit, dass man sich wiedersieht.
Christian MorgensternVon sich zurückzutreten wie ein Maler von seinem Bilde - wer das vermöchte!
Christian Morgenstern