Edmond und Jules de Goncourt Zitate
seite 3
Die modernen Familien kennen unterhalb einer bestimmten Vermögenslage oder oberhalb einer bestimmten Stockwerkshöhe keine Verwandtschaft mehr.
Luftballons finden, wenn sie sehr hoch hinaufsteigen, einen schwarzen Himmel vor. In diesem Himmel wird am Ende auch die Wissenschaft landen.
Wenn die Frau ein Meisterwerk ist, übertrifft sie alle Kunsterzeugnisse.
Im Geiste eines jeden Menschen, der eine Feder in der Hand hält, besteht eine Neigung, das Publikum, das ihn morgen lesen wird, zu verachten, und das Publikum, das ihn in zehn Jahren lesen wird, zu respektieren.
Heutzutage machen die Leichtsinnigen ihr Glück; die Narren sind voller Vernunft. Sie erinnern mich an jenen Laden, auf dessen Schild stand: Au Carneval de Venice; und drinnen wurden wollene Hauben verkauft.
Gewisse Bücher möblieren. Natürlich jene, die man am teuersten kauft und am wenigsten liest.
In der Weltgeschichte hat immer noch das Absurde die meisten Märtyrer gehabt.
Man sagt, die Wahrheit ärgere den Menschen, und sie ärgert ihn wirklich, denn sie ist nicht vergnüglich. Die Lüge, der Mythos, die Religion sind viel tröstlicher.
Man findet nicht einen Mann, der sein Leben noch einmal leben möchte. Kaum findet man ein Weib, das seine ersten achtzehn Jahre wiederleben möchte. Das richtet das Leben.
Nur aus dem, was man gesehen oder erlitten hat, wird eine gute Literatur.
Niemals habe ich einen Dummkopf cynisch werden sehn: er kann nur obscön sein.
Die ganze Kunst zu gefallen, besteht darin, nie von sich selbst zu reden, und die anderen von sich selbst reden zu machen. Jeder weiß das, und alle Welt vergisst es.
Noch mehr als ein Mann hat es eine Regierung nötig, die Meinung zu erwecken, daß sie sich auch schlagen kann.
Alles fand die Menschheit im wilden Zustand, die Tiere, die Früchte, die Liebe.
Eine homöopathische Apotheke kommt mir vor wie der Protestantismus der Medizin.
Es gibt Frauen, deren eigentümlicher Reiz in einem träumerischen Entrücktsein liegt, als sei ihr Leben für eine Weile aufgehoben und das Bewußtsein unterbrochen.
Ich weiß nicht, welche Niedrigkeit und Falschheit oft genug bei Kindern beobachtet werden kann, die nicht die Söhne ihrer Väter sind. Man möchte meinen, die Lüge, in der ihre Mutter ihren Fehltritt verhüllen mußte, sei ihnen in die Seele gestiegen.
Vielleicht sind die größten Dichter nicht gedruckt. Etwas schreiben, ist vielleicht das gerade Gegenteil davon, es zu träumen.
Es gibt Leute, die so grotesk sind, daß sie beim Sterben den Todesgedanken zu profanieren scheinen.
Gewisse grobe materielle Ehemänner hübscher Frauen könnte man mit jenen plumpen Auvergnaten unter den Taxatoren auf den Auktionen vergleichen, die die schönsten und köstlichsten Dinge, ohne sie zu zerbrechen, durch ihre Hände gehen lassen und vorzeigen.
Die Völker lieben weder das Wahre, noch das Einfache. Sie lieben die Legende und den Charlatan.
Man könnte Stolz definieren als die Eitelkeit, die es nicht gestattet, gemeine Handlungen zu verüben.
Ich bemerkte, daß die Unglücklichen den Egoismus eines Spitalkranken haben.
Die meisten Dummheiten in der Welt muß sich wahrscheinlich ein Gemälde in einem Museum anhören.
Der Schritt eines Bettlers, dem du nichts gegeben hast und der nun davon geht, läßt seinen verhallenden Klang in deiner Seele zurück.
Niemals zu andern über sich sprechen, sonden ihnen stets von ihren eigenen Dingen erzählen, darauf beruht die ganze Kunst, zu gefallen. Jedermann weiß es und alle Welt vergisst es.
Die Worte! Die Worte! Man hat im Namen der Barmherzigkeit verbrannt und im Namen der Brüderlichkeit guillotiniert. Im Theater der menschlichen Dinge sagt der Zettel fast stets das Gegenteil des Stückes.
In der Sprache der Bourgeoisie steht die Größe der Worte in direktem Verhältnis zur Geringfügigkeit der Gefühle.
Um berühmt zu sein, muß man unbedingt zwei Generationen begraben, die seiner Professoren und die seiner Schulfreunde, die deine und ihre Vorgängerin.
Um die Natur wahrhaft zu hassen, muß man von Natur die Gemälde den Landschaften, und die Konfitüren den Früchten vorziehen.
Das Elend hat seine Gesten. Sogar der Körper nimmt auf die Dauer Armengewohnheiten an.
Wenn es einen Gott gibt, muß der Atheismus ihm wie eine geringere Beleidigung vorkommen als die Religion.
Die Zeitung ist der natürliche Feind des Buches, so wie die Hure die Feindin der anständigen Frau.
Das Journal hat den Salon getötet; das Publikum hat die Gesellschaft abgelöst.
Vielleicht ist nur eines wirklich existent, nur eines echt im Leben: das physische Leiden. Alles andere ist Einbildung, Illusion, Chimäre, vages Gefühl.
Jede politische Diskussion läuft hinaus auf: Ich bin besser als Sie. Jede literarische Diskussion: Ich habe mehr Geschmack als Sie. Jede künstlerische Diskussion; Ich sehe besser als Sie. Jede musikalische Diskussion: ich habe ein besseres Gehör als Sie.
Liest man die römische Kaisergeschichte, so staunt man, daß die Begriffe des Guten, des Bösen, des Gerechten und des Ungerechten die Cäsaren überleben konnten, und daß die römischen Kaiser nicht das menschliche Gewissen töteten.
Es kommt mir vor, als sei die gegenwärtige Gesellschaft in betreff der Moral so empfindlich wie Schurken im Punkt der Ehre.
Seit den letzten Jahren gibt es ein Wertobjekt, das realer und verwertbarer ist als Boden, Haus und Rente, ein Wertobjekt der Laune und der Phantasie; das Kunstwerk.
Sobald die Schule von etwas existiert, ist dieses selbst schon nicht mehr am Leben.