Emanuel Geibel Zitate
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Ist denn die Blume nur da zum Zergliedern? Weh dem Geschlechte, das, anstatt sich zu freun, jegliche Freude zerdenkt!
Und wenn dein Geist die Welt umschriebe Und würde nicht der Selbstsucht los, Was wär’s? Mehr wiegt ein Tropfen Liebe Als alle Weisheit Salomos.
Wider den Schmerz sich zu vermauern ist so verkehrt wie maßlos Trauern; du sollst von ihm dich mahnen lassen, in dir dein Höchstes doppelt fest zu fassen.
Tief zu denken und schön zu empfinden ist vielen gegeben; Dichter ist nur, wer schön sagt, was er dacht‘ und empfand.
Als jung und stark wir waren, Da hatten wir nichts erfahren; Als wir ein Wissen gewonnen, War unsre beste Kraft zerronnen.
Wenn Schuld und Kummer dich bedrängen, Die Beicht‘ erleichtert dir das Herz; Der Dichter beichtet in Gesängen Sich rein von Leidenschaft und Schmerz.
Mut, Mut! Dem Leid der Lust die Stirn entgegen, die Welt ist immer noch des Schönen voll.
Das Schwerste klar und allen faßlich sagen, Heißt aus gedieg’nem Golde Münzen schlagen.
Strecke deine Hand nur empor zum Gebet! Gott faßt sie oben und die Berührung durchströmt dich mit geheiligter Kraft.
Lehr‘ nur die Jungen weisheitsvoll, wirst ihnen keinen Irrtum sparen; was ihnen gründlich helfen soll, das müssen sie eben selbst erfahren.
Der Pfad, auf dem der Held zur Größe wallt, ist steil und schmal, die meisten schreiten ihn in Einsamkeit.
Die Zeit ist wie ein Bild von Mosaik, zu nah beschaut, verwirrt es nur den Blick; willst du des Ganzen Art und Sinn verstehn, so mußt du’s, Freund, aus rechter Ferne sehn.