seite 1
Einige einleitende Worte über Frauenarbeit im Allgemeinen gestatte man mir vorauszuschicken. [...] Herr v. Bischof sagt an einer Stelle: Jedes Geschlecht habe seine besonderen Funktionen, Frauen könnten nicht leisten, was Männer leisten, und umgekehrt, Männer nicht, was Frauen. - Ist das wahr? Nein!
Hedwig DohmDummheit oder auch nur Beschränktheit des Gesichtskreises ist wie ein dickes Fell, das gleichmäßig vor Ueberhitzung und Erstarrung schützt.
Hedwig DohmGerade der einzelne, meine ich, ist das Saatkorn, dem die Ernte entwächst, die die Gesamtheit nährt.
Hedwig DohmIch glaube nicht, dass Geschwisterliebe ein Naturinstinkt ist; ich glaube vielmehr, dass sie erst in der gemütvollen Atmosphäre des elterlichen Hauses großgezogen wird.
Hedwig DohmIn der That unterscheiden sich die Frauen in gewissen Grundzügen ihres Charakters, gerade wie die Männer, je nach ihrer Lebenslage, ihrer Klasse und ihrer Erziehung.
Hedwig DohmAllein, ebenso wenig wie der Ausgang eines Duells zwischen zwei Individuen ein Gottesurteil darstellt, entscheidet bei Völkerduellen Sieg oder Niederlage über Wert oder Unwert, Recht oder Unrecht der Parteien. Mit erzgegossenen Kugeln erschießt sich keine Nation Recht, Freiheit und Fortschritt.
Hedwig DohmIch bin oft müde, eine angenehme Müdigkeit, in der das Dasein mich wie milde Luft umfließt, lind, einschläfernd.
Hedwig DohmMan spricht so viel von dem großen Glück des Kindes, das die Mutterliebe ihm gibt, man spricht von dem trauervollen Geschick der Kinder, die früh die Mutter verloren. Aber man spricht nicht von dem viel größeren Unglück des Kindes, das eine Mutter hat, die keine Mutter ist.
Hedwig DohmGewiß, jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern; das Recht aber, diese Meinung mit der Wahrheit zu identifizieren und für den Andersdenkenden Scheiterhaufen zu errichten, das hat er nicht.
Hedwig DohmDie Welt ist ein Riesenphonograph. Ideen, die einmal hineingesprochen, bleiben unauslöschlich darin haften.
Hedwig DohmIn der Antipathie gegen alte Frauen ist viel von der Barbarei früherer Zeitalter, von Zeitaltern, in denen auch die Krankheit als eine Schuld galt, und wo man die Alten, wenn sie nichts mehr leisteten, einfach ersäufte.
Hedwig DohmVerlogenheit aber ist ein Seelenzustand, in dem Wahrheit und Dichtung, Kunst und Natur, Aufrichtigkeit und Falschheit so ineinander verwoben sind, daß selbst die Inhaber dieses Zustandes diese Elemente nicht mehr von einander unterscheiden können. Verlogenheit ist moralischer Weichselzopf.
Hedwig DohmDie Rückwärtsglaubenden sehen heut' noch auf Erden Zustände, wie sie vor Jahrhunderten waren.
Hedwig DohmDer Krieg tötet doch nicht nur Leiber, in vielen dieser Leiber schlägt das Herz der Menschheit, lebt der Genius der Zukunft.
Hedwig DohmDer Pfeife des Rattenfängers von Hameln gleichen die jungen Verliebtheiten. Sie lockt - wohin? Man weiß es nicht, ob auf einen Dornenweg, ob in ein Land, wo die Sonne nicht untergeht.
Hedwig DohmKönnte es nicht Philosophen geben, die ihre Gedanken gewissermaßen dichteten? Sollte nicht, wer in die lichtesten Höhen steigt, leichtbeschwingt sein? Sie aber sind alle Taucher, die mit schwerem, kompliziertem Rüstzeug sich wuchtig in die Tiefe senken, wohin nur wieder Taucher ihnen folgen können.
Hedwig DohmAber - ich soll ein echtes, ein wahres Weib sein! Was ist denn das: ein wahres Weib? Muß ich, um ein wahres Weib zu sein, bügeln, nähen, kochen und kleine Kinder waschen?
Hedwig DohmDie menschliche Kreatur ist von allen Naturgebilden am lieblosesten organisiert. Selbst das erhabenste Denken hängt von ein paar Gehirnfasern ab. Ein Faserchen reißt. Der Denker ist ein Idiot.
Hedwig DohmDie Zeit ist die größte Revolutionärin; nur schreitet ihr eherner Schritt langsam, langsam aufwärts. Und das ist die tiefe Tragik der Vorausdenkenden, daß sie ihre Zeit nie erleben, das heißt, sie kommt erst, wenn sie gegangen sind.
Hedwig DohmWie der Engel im Paradies, hält der Mann das flammende Schwert in Händen, aber... nicht um uns auszutreiben, sondern um uns gewaltsam gegen unsern Willen darin festzuhalten!
Hedwig DohmDie Charakterschwachen machen Front gegen die Frauenbewegung - aus Furcht. Sie haben immer Angst, von der Frau - besonders von ihrer eigenen - unterdrückt zu werden. Weil sie sich heimlich ihrer Schwäche bewußt sind, betonen sie bei jeder Gelegenheit ihre Oberhoheit.
Hedwig DohmDer Mensch im Sarge, der den Deckel hebt, ein wenig hebt, das ist das Bild unseres ganzen Seins. Der Leib - der Sarg. Das brennende Verlangen, hinaus - hinauf! das ist die Kraft, die heben will, will, und nicht kann.
Hedwig DohmBrüder des Bluts werden nur Brüder im Geiste sein, wenn sie in derselben geistigen und physischen Atmosphäre großgezogen sind.
Hedwig DohmWer mauerfeste Vorurteile stürzen will, bläst nicht Schalmeien, wenn es auch nicht gerade Posaunen zu sein brauchen!
Hedwig DohmMan wird den Frauen das Kindergebären noch ganz verleiden mit der Sucht, sie damit für alle andern Lebensansprüche abfinden zu wollen.
Hedwig DohmVerschwände die Erde und mit ihr der Mensch aus dem Weltkreis, vielleicht würde das All nicht tiefer davon berührt, als die Erde etwa von einem Erdbeben auf Sizilien.
Hedwig DohmVerheiratet sein! nach alter Denkgewohnheit heißt's: Zwei sollen eins sein! Seltsamste, wundergläubigste Vorstellung! Barer Unsinn wär's in der Mathematik, und ist's auch sonst.
Hedwig DohmWie Einem Hände oder Füße einschlafen, so schläft etwas Geistiges in mir ein. Alles Blut aus dem Gehirn entweicht. Ich muss es bewegen, bewegen! In's Freie! in's Freie!
Hedwig DohmKein organisches Wesen, also auch keine Frau, wird auf die Dauer in einer Sphäre leben können, die seiner Natur entgegen ist.
Hedwig DohmGlauben aber sollen wir nimmermehr an Dinge (und sollte dieser Glauben auf einer sogenannten Ewigkeit fußen), die zu einem Mittel der Unterdrückung werden können.
Hedwig DohmJeder echte Mann schaudert bei der Vorstellung, daß seine Frau klüger sein könnte, als er.
Hedwig DohmNeue Gedankensaaten, in einen Boden gestreut, der nicht vorbereitet ist, sie zu empfangen, tragen keine Frucht.
Hedwig DohmEs ist eine uralte List der Despotie, ihre Opfer zu schmähen und zu erniedrigen und ihre Unterdrückung zu rechtferigen.
Hedwig DohmDas Gemüth, das Herz ist die Königin der Welt; es ist die Quelle aller größten und aller ärgsten Thaten der Menschheit; und ob sie ihren Purpur in Blut oder in die Morgenröthe lauterer Empfindung tauche, von jeher haben Verstand und Vernunft ihr Handlangerdienste geleistet.
Hedwig DohmEntweder: wir sind vernunftlose Halbtiere, die man irgendwo fest anbindet, damit sie keinen Schaden anrichten, oder wir sind vernunftbegabte nennenswerte Menschen, nun - so sind wir Selbstbestimmer, Selbstwisser unseres Glücks und unserer Lebensziele.
Hedwig DohmDer Stolze kann mißfallen, aber man verachtet ihn nicht. Nur auf den Nacken, der sich beugt, tritt der Fuß des vermeintlichen Herrn.
Hedwig DohmRevolutionen werden nicht mit Rosenwasser gemacht. Es braucht aber nicht gerade Blut zu sein.
Hedwig DohmGewohnheit hat eine Eiskruste um unser Rechtsbewußtsein gebildet, die nur an dem Feuer reiner und glühender Menschenliebe schmelzen kann.
Hedwig Dohm