Zitate von Helene Gräfin von Waldersee
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Es gibt Augenblicke des Glückes, deren leuchtende Erinnerung noch jedes spätere Dunkel durchbricht, jenen Sternen gleich, die, längst erloschen, ihr Licht noch durch die Nächte senden.

Ein trauriger Triumph: edle und aufrichtige Naturen zu täuschen! es ist so leicht.

Sogenannte Verstandsmenschen zeichnen sich oft mehr durch Gemütsmangel als durch Geistesfülle aus.

Was dem Leben oft nicht gelingt: der Tod erringt es sich, und in dieser Erfahrung liegt das bittre Leid der zwei Worte: zu spät!

Arme Menschen! Die Qual erpreßt ihnen den Ausruf: „Ich kann nicht mehr!“ und wie lange müssen sie oft noch!

Das Danken ist eine rechte Probe aufs Liebhaben; wo man liebt, dankt man gern.

Die rechte Treue ist ein Treubleiben. Viele verstehen sie nur als ein immer erneutes Zurückkommen!

Der Idealismus breitet seine Flügel aus und schwingt sich über den Schmutz der Erde hinweg; der praktische Sinn wandert mit wasserdichten Stiefeln einfach hindurch.

Aus einem Herzen, das schuldiger Dank drückt und erbittert, ist die Liebe geschieden.

Wie der Weg zur Hölle dem Sprichwort nach mit guten Vorsätzen gepflastert ist, so verbauen die Entschuldigungen den Weg zum Himmel.

Der Tag kann freundlich täuschen wie das Leben; die Nacht ist unerbittlich wahr wie der Tod.

Wer sich selbst beschuldigt, dem kann geholfen werden; wer sich aber nur rechtfertigt und entschuldigt, der kommt nicht weiter.

Manche Leute führen Seiltänzerexistenzen; sie halten sich nur mit Balanzierstangen aufrecht, erfassen vor dem Absturz schnell ein rettendes Seil, schaukeln sich aber gleich wieder lächelnd daran hin und her in erheuchelter Sicherheit, ihr Publikum dabei von oben herab grüßend.

Warum darf das Herz nie einen Schmerz allein beweinen? – Warum müssen in schweren Stunden, wie durch geheime Fäden verbunden, die Leiden eines ganzen Lebens wieder lebendig werden?

Manche Menschen lieben wir mehr, wenn wir mit ihnen zusammen sind, für andre dagegen wachsen in der Trennung unsrer Liebe erst Schwingen, und wir werden uns dann ihrer Kraft gerade voll bewusst; mir scheint, diese Liebe ist die tiefere und ihr Gegenstand der wertvollere.

Es bleibt dabei: Lieben und über alles geliebt zu werden, ist das größte, wahrste Glück.

Gräber kränzen und den Lebenden die Blumen am Wege weigern: das ist trauriges Tun!

Ein Wahrhaftiger hat den Mut seiner Meinung, während Lüge und moralische Feigheit Hand in Hand gehen.

Glück und Verdienst zu verwechseln, ist eine Geschicklichkeit der Weltklugen.

Dankbarkeit ist eine Schuld, die viele durch Ableugnen zu löschen vermeinen.

In der Sonne ist man gerne müßig; die Arbeit aber tut man besser im Schatten.

Man teilt die Menschen am unterschiedlichsten in Denkende und Nichtdenkende.

Gleichbleibende Güte gegen jemanden, den wir bemitleiden, fordert nicht allzuviel Liebe; aber gleichbleibende Güte gegen den, der uns überwächst und in den Schatten stellt, die bedingt wahre Liebe.

Wir müssen vieles tun, gleichviel, ob wir im voraus wissen: es ist umsonst.

Der Durchschnitt fasst nur das übliche Maß von Freude und Leid und bleibt im Gleichgewicht; ein großes, tiefes Herz fasst mehr, und gerade ihm kann es geschehen, dass ein Übermaß die herkömmlichen Grenzen gefährdet und überflutet.

Es gibt eine Liebe, die treibt duftende Blumen, und eine, die zieht nahrhafte Gemüse; die beiden können sich weder verstehen noch würdigen, ob sie auch wollen, und das bringt viel Herzeleid und viel Sünde in die Welt!

Manche Ehen erinnern unwillkürlich an das ungleiche Gespann eines Pferdes mit einem Rind.

Es liegt etwas sehr Entmutigendes darin, zu erfahren, dass weder Erziehung noch täglicher Verkehr, weder Beispiel noch eindringliche Mahnung etwas Wesentliches an dem zu ändern vermag, was dem Menschen angeboren, was seine eigentliche Natur ist.

Begeisterung kommt von Geist; und doch sagt mancher: „Ich bin begeistert!“, der auch nicht ein armes Federchen jener starken Schwingen sein eigen nennt, mit denen der Flug der Begeisterung emporträgt.

Vorsicht in der Unterhaltung ist der Tod jedes freien Gedankenaustausches.

Je mehr die Wahrheit Raum in uns gewinnt, umso klarer wird die Selbsterkenntnis und damit das Schuldgefühl; und weil der Tod des Lebens größte Wahrheit ist, darum weint so viel heiße Reue an Särgen!

Manche gerühmte Eigenschaften, wie gleichmäßige Heiterkeit, behagliche Gemütsruhe und dergleichen, sind oft nicht mühsam errungene Tugenden, sondern einfach die Folge eines guten Magens, trefflichen Schlafes und ausgeruhter Nerven.

Wieviel Gewesenes wird unter Leichensteinen mit falscher Aufschrift begraben!

In nebligen, dunklen Zeiten lernt man es verstehen, wie weise und wahr die Sprache ist, die Sonne und Wonne in Einklang bringt.

Der Größere muß sich niederneigen können im Verkehr mit dem Kleinen; aber niemand darf es merken, er selbst am wenigsten.

Es liegt eine tiefe Demütigung darin, sich derer schämen zu müssen, mit denen uns einst Liebe verband.

Es ist oft eine Umschreibung, zu sagen: „Die Zeit vergeht,“ um nicht zu sagen: Das Leben vergeht.