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Ein kalter Frühling ist für die Natur dasselbe wie für den Menschen eine traurige Jugend; kein später Sonnenschein vermag die Schäden ganz zu heilen.
Helene Gräfin von WalderseeEs könnten Viele sich und andern das ganze Jahr hindurch frohe Stunden bereiten, wenn sie nicht meinten, daß nur zu Weihnachten die Zeit des Gebens sei.
Helene Gräfin von WalderseeDas Wort "Zeitvertreib" muß denkenden Menschen fast als Narrheit erscheinen! Wer kann denn das flüchtig Enteilende, Kostbarste, noch vertreiben wollen?
Helene Gräfin von WalderseeSympathie ist nicht zu erklären, oft nicht zu rechtfertigen; und doch, welche Macht!
Helene Gräfin von WalderseeEdle Menschen handeln oft recht unklug, denn die Klugheit dieser Welt ist selten edel.
Helene Gräfin von WalderseeEs gibt eine feine Herzensanmut des Gebens, die fast des Dankes überhebt.
Helene Gräfin von WalderseeEs spricht nicht für das weibliche Geschlecht, daß gerade minderwertige Männer von bedeutenden Frauen so oft überschätzt werden.
Helene Gräfin von WalderseeNeidlose Freude am Nächsten, an seinen Vorzügen und Erfolgen ist der wahrste Liebesbeweis.
Helene Gräfin von WalderseeUneingestandene und unbereute Schuld entwickelt sich zu einer Art inneren Feindschaft, deren vergiftete Spitzen sich auch noch gegen den richten, an dem gesündigt wurde.
Helene Gräfin von WalderseeDer Teufel verlockt am sichersten da, wo er sich vom Glück die Maske borgt.
Helene Gräfin von WalderseeDer warmherzige Idealist rechnet unwillkürlich immer wieder mit den guten Seiten der Menschen und wird von Enttäuschung zu Enttäuschung gestoßen; der kühle Realist rechnet mit den Fehlern und verrechnet sich fast nie.
Helene Gräfin von WalderseeGerade die Menschen, die andre durch Verwöhnung zu Egoisten erzogen, wollen die Folgen ihres Tuns am wenigsten ertragen und sind oft ihrer Opfer schärfste Richter.
Helene Gräfin von WalderseeGlückliche Sandnaturen, in denen der Wind der Zeit die Leidensspuren verweht! In schwerem Boden gräbt der wuchtige Schritt des Schmerzes seine Pfade immer tiefer von Jahr zu Jahr.
Helene Gräfin von WalderseeManche erhalten und nähren sich geradezu von innerer Unwahrheit über sich und die Ihren und sind satt und glücklich dabei.
Helene Gräfin von WalderseeManchen gegenüber wird uns zu Sinn, als müßten wir um Verzeihung bitten, daß wir geben dürfen.
Helene Gräfin von WalderseeDie Hoffnung meidet der Wahrheit unbestechlichen Blick, denn er erschüttert sie fast jedesmal.
Helene Gräfin von WalderseeDie Menschen, die der Superlativ der Liebe beglückte, haben meist auch den Superlativ des Leides zu tragen; der Durchschnitt lernt beides nicht kennen.
Helene Gräfin von WalderseeDas strenge Urteil der Menschen hätte nur dann den Wert der Gerechtigkeit, wenn die Richter mit ihrem eigenen Tun ebenso kritisch und unerbittlich verführen wie mit dem ihrer Nächsten.
Helene Gräfin von WalderseeEs ist ein Vorrecht flacher Seelen, daß bei ihnen so vieles im Sande verlaufen kann.
Helene Gräfin von WalderseeDie größte Tragik des Lebens liegt darin, dass wir Verlorenes und Unerreichbares so leidenschaftlich überschätzen müssen!
Helene Gräfin von WalderseeFür großes Leid gibt es keine Gewöhnung; tiefer Schmerz ersteht täglich frisch und neu.
Helene Gräfin von WalderseeWer kann sagen, woher er plötzlich kommt: der Duft, der Klang, der Weckruf, der eines Herzens Empfinden lebendig macht bis in die Tiefe, bis zu der Stelle, da wir meinten, etwas für immer begraben zu haben, was nun erwacht und aufersteht zu alter, unsterblicher Macht!
Helene Gräfin von WalderseeFür einen Menschen mit regem Gedankenleben ist die praktische Anforderung des Alltags viel weniger Arbeit als Erholung.
Helene Gräfin von WalderseeKluge sind zu überzeugen; Dummheit und Eigensinn aber reichen sich die Hand.
Helene Gräfin von WalderseeDie Untreue fürchtet mit Recht nichts so sehr als - alte Briefe! - denn das sind lauter Beweise ihrer Schuld, lauter Ankläger für sie. - Und wird denn Untreue dadurch gesühnt, dass man Briefe verbrennt?
Helene Gräfin von WalderseeEine Frau beugt sich tief, um zu dem, den sie mit ihrer Liebe krönt, aufsehen zu können.
Helene Gräfin von WalderseeDie Leichtgläubigkeit kluger Leute ist ein unwillkürlicher Beweis ihrer Wahrhaftigkeit.
Helene Gräfin von WalderseeDie zäheste Begleiterin des Menschen ist die irdische Hoffnung! Sie drängt sich mit ihrem unwahren Lächeln noch in die Sterbezimmer! Und wir armen Menschen können nicht leben, leiden und sterben ohne sie!
Helene Gräfin von Waldersee