Jean Paul Zitate
seite 2

Wenn es keine Freiheit gibt: wie kömmt denn der ganz Lasterhafte zum Gefühl, daß er sie verloren? „Bloß weil er das starke Gewicht der einen Gründe fühlt“ – allein der Tugendhafte fühlt auch seines, aber keinen Freiheitsverlust.
Es ist nicht halb so ungesund, Philosophie zu lehren, als zu lernen, e(ine) Philos(ophie) zu machen als zu lesen.
Freiheit ist ein Gut, dessen Dasein weniger Vergnügen bereitet als seine Abwesenheit Schmerzen.
Die Leiden sind wie die Gewitterwolken; in der Ferne sehen sie schwarz aus, über uns kaum grau.
Der Scherz fehlt uns bloß aus Mangel an – Ernste, an dessen Stelle der Gleichmacher aller Dinge, der Witz, trat, welcher Tugend und Laster auslacht und aufhebt.
Er leidet Sätze in seinem Buche, die anderen widersprechen; es ist dies ein Zeichen seiner Toleranz.
Wie eine Sonne geht das Herz durch die blassen Gedanken und löschet auf der Bahn ein Sternbild nach dem andern aus.
Nun war er allein und […] hatte, was der Mensch zum feinsten Glücke braucht, nämlich einen Widerspruch der Wünsche.
In den Mannjahren sehnt man sich unendlich aber vergeblich nach einem Freunde, der wie ein Jüngling der frühern Jahre alles anhört und aufnimmt.
Der Mensch braucht bei den besten Flügeln seiner Phantasie auch ein paar Stiefel für das Pflaster.
Aber doch unterscheidet die Leiden. Die einer schönen Seele sind Maifröste, welche der wärmern Jahrzeit vorangehen; aber die Leiden einer harten, verdorbenen sind Herbstfröste, welche nichts verkündigen als den Winter.
Man denkt beim Spotten und Widerlegen mehr daran, es denen, die schon auf unserer Seite, deutlich zu machen, als den Widersachern.
Die Weiber halten sich für besser als die Männer; jene fehlen ohne Bewußtsein des Fehlers, diese mit.
Das Übel ist wie ein nächtlicher Alp; in dem Augenblicke, wo man dagegen zu kämpfen und sich zu rühren beginnt, ist es auch schon zu Ende.
Keine Absichten werden leichter und allgemeiner erraten als die des Eiteln. Dies setzt allgemeine Eitelkeit voraus.
Die Satire bessert selten. Darum sei sie nicht bloß lächelnd, sondern bitter, um die Toren, die sie nicht bessern kann, wenigstens zu bestrafen.
In der erziehenden Welt geht nichts über das Schreiben, nicht einmal Lesen und Sprechen. Ein Mensch liest dreißig Jahre mit weniger Ertrag seiner Bildung, als wenn er ein halbes schreibt.
Das Lob einer besondern Eigenschaft setzet dem Verdachte der Schmeichelei aus, da der andre sich seiner Schwäche darin vielleicht bewußt ist; aber ein allgemeines Lob wird für keine gehalten, weil jeder sich vortrefflich im Ganzen hält.
Ein Gelehrter gilt so lange für unfehlbar, bis er vor uns den ersten Irrtum begangen und nachgeben müssen; dann tritt man ihm ohne Gnade keck entgegen.
Im Reiche des Wissens kommt – anders als im physischen – der Schall immer früher an als das Licht.
Am wenigsten stützt Religion und Sittlichkeit auf Gründe; eben die Menge der Pfeiler verfinstert und verengt die Kirchen.
Alle plötzlichen Dämmerungen sind nur die der Sonnenfinsternisse und also keine wachsenden, sondern ebenso plötzlich verschwindende.
Wie Himmelsblumen werden oft Träume durch die Menschennacht getragen, und am Tageslicht bezeichnet nur ein fremder Frühölingsduft die Spuren der Verschwundenen.
Ein Knabe muß seinen Schmerz trocken verdauen, ein Mädchen mag einige Tropfen nachtrinken.
Ich lege mich Ihnen zu Füßen, weil diese doch immer noch der reinlichere Ort sind als Ihr Herz.
Die Hoffnung mag eintreffen oder nicht, so hat sie doch das Gute, daß sie die Furcht verdrängt.
Das goldne Kalb der Selbstsucht wächst bald zum glühenden Phalaris-Ochsen, der seinen Vater und Anbeter einäschert.
Gedächtnis, Witz, Phantasie, Scharfsinn können sich im Alter nicht verjüngen, aber das Herz vermag es mit sich.
In einem Vormittage, wo man reiset, ein ungewöhnliches Geschäft hat – kurz in jeder neuen Lage – lebt man mehr, sieht das Leben anders, fühlt sich mehr als in vier gewöhnlichen Wochen.
Ein Schmeichler ist’s selten aus bloßem Eigennutz, sondern aus Charakter; denn er schmeichelt Niedrigen wie Hohen.
Das heimliche häusliche Wort, das der Vater seinen Kindern sagt, wird nicht vernommen von der Zeit; aber, wie in Schallgewölben, wird es an dem fernen Ende laut und von der Nachwelt gehört.
Entweder große Menschen […] oder große Zwecke muß ein Mensch vor sich haben, sonst vergehen seine Kräfte, wie dem Magnet die seinigen, wenn er lange nicht nach den rechten Welt-Ecken gekehrt gelegen.
Kürze ist der Körper und die Seele des Witzes, ja er selber, sie allein isoliert genugsam zu Kontrasten.
Wenn auch die Freude eilig ist, so geht doch vor ihr eine lange Hoffnung her, und ihr folgt eine längere Erinnerung nach.