Zitate von José Ortega y Gasset
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Das Parlament ist im nationalen Zusammenleben das sichtbarste Organ für den Umgang und die Verständigung unter Gleichgestellten.

Je mehr wir wissen, um so tiefer schweigen wir und um so hoffnungsloser vereinsamen wir.

Von einem, der sich nur anstrengt, wenn er sicher ist, dafür belohnt zu werden, kann man nicht viel erwarten.

Der Begriff der Aufgabe ist ein Wesensbestandteil des Menschseins: Den Menschen gibt es nicht ohne die Aufgabe.

Historisches Wissen ist eine Technik ersten Ranges zur Erhaltung und Fortsetzung einer gereiften Zivilisation.

Hartnäckige Übellaunigkeit ist ein klares Symptom dafür, dass ein Mensch gegen seine Bestimmung lebt.

Der echte Revolutionär rebelliert nicht gegen Missbräuche, sondern gegen Bräuche.

Der Fortschritt besteht nicht darin, das Gestern zu zerstören, sondern seine Essenz zu bewahren, welche die Kraft hatte, das bessere Heute zu schaffen.

Der Zyniker, dieser Schmarotzer der Zivilisation, lebt davon, sie zu verneinen, weil er überzeugt ist, dass sie ihn nicht im Stich lassen wird.

Die direkte Folge des einseitigen Spezialistentums ist es, dass heute, obwohl es mehr „Gelehrte“ gibt als je, die Anzahl der „Gebildeten“ viel kleiner ist als zum Beispiel 1750.

Revolution ist nicht Auflehnung gegen die bestehende Ordnung, sondern Aufrichtung einer neuen, welche die überlieferte stürzt.

Seit Debussy kann man Musik in heiterem Gleichmut, ohne Trunkenheit und Tränen anhören.

Das Kunstwerk ist eine imaginäre Insel, die rings von Wirklichkeit umbrandet ist.

Die meisten Menschen haben keine Meinung; sie muß von außen in sie hineingepreßt werden wie das Schmieröl in die Maschine.

Was eine Nation groß macht, sind nicht in erster Linie die großen Männer. Es ist das Format der Mittelmäßigen.

Nicht wenig Männer haben kein anderes Innenleben als das ihrer Worte, und ihre Gefühle beschränken sich auf eine rein verbale Existenz.

Jetzt ist es der Mensch, der scheitert, weil er mit dem Fortschritt seiner eigenen Zivilisation nicht Schritt halten kann.

Die Abtrünnigkeit der Armee ist nicht eine der Ursachen der Revolution: Sie ist die Revolution selbst.

Schweigen heißt: Nicht sagen, was man sagen könnte. Und nur das ist eine fruchtbare Stille.

Das Glück pflegt sich mit den Zügen der Einfachheit und der Ursprünglichkeit zu zeigen.

Der Mensch wandelt immer zwischen Abgründen, und ob er will oder nicht, besteht seine ihm eigenste Aufgabe darin, sein Gleichgewicht zu bewahren.

Der Mensch ist das Wesen, das dazu verurteilt ist, Notwendigkeit in Freiheit umzusetzen.

Keinen Augenblick ist es unserer Entschlusskraft gegönnt zu ruhen. Selbst wenn wir verzweifelt geschehen lassen, was geschieht, haben wir beschlossen, nicht zu beschließen.

Der Künstler verschließt die Augen vor der äußeren Welt und wendet den Blick auf die subjektiven Landschaften seiner Seele.

Das Schicksal, unsagbar zu sein, teilt das Höchste mit dem Niedrigsten. Weder Gott noch die Farbe des Papiers können mit Worten beschrieben werden.

Die juristische Form, welche sich eine nationale Gemeinschaft gibt, mag so demokratisch, ja kommunistisch sein wie immer, ihre urwüchsige, präjuridische Verfassung besteht dennoch in der Wechselwirkung zwischen einer Elite und einer Masse.

Machen wir heute eine Bilanz unseres geistigen Besitzes auf, so würde sich herausstellen, dass das meiste davon nicht unserem jeweiligen Vaterland, sondern dem gemeinsamen europäischen Fundus entstammt.

Einzig der Entschluss, aus den Völkergruppen des Erdteils eine große Nation zu errichten, könnte den Puls Europas wieder befeuern.

Überraschung, Verwunderung sind der Anfang des Begreifens. Sie sind der eigenste Sport und Luxus des geistigen Menschen.

Die Gesellschaft ist immer eine dynamische Einheit zweier Faktoren, der Eliten und der Massen.

Es ist falsch, daß im Leben die Umstände entscheiden. Im Gegenteil: Die Umstände sind immer der neue Kreuzweg, an dem unser Charakter entscheidet.

Die Vergangenheit kann uns nicht sagen, was wir tun, wohl aber, was wir lassen müssen.