Zitate von Josef Bordat
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Man sollte, bevor man damit beginnt, eine Sache zu bedenken, zuerst bedenken, daß man nicht alles bedenken kann.

Ich hätte nie gedacht, dass ich es noch einmal erleben würde, dass „Gewissensfreiheit in Europa“ gleichzusetzen ist mit „Gewissensfreiheit in Gefahr“.

Hätte Mielke den Menschen befohlen: „Schreibt eure Stasi-Akten selbst und erzählt vor allem, was besonders peinlich für euch werden kann!“, hätte das wohl nicht funktioniert. Heute geht das problemlos. Im Internet. Man nennt es „social community“.

Eine Sache ist nicht schon deswegen wahr, weil man ihre Falschheit nicht nachweisen kann. Umgekehrt aber auch.

Es ist schon komisch, daß in einer Gesellschaft, in der die Selbstmordrate seit Jahren ungebrochen hoch liegt, immer öfter von HappyHour, HappyHippo und HappyDigits die Rede ist.

Wenn vor dem Urteil ein Vorurteil stand, liegt es oft daran, daß eine Tatsache nichts zur Sache tat.

„Was habe ich davon?“ darf niemals die Gegenfrage auf die Gretchenfrage sein. Der Glaube an Gott ist entweder innere Notwendigkeit oder sich äußernde Torheit, in keinem Fall aber nützlich oder unnütz.

Nichts ängstigt mich mehr als Menschen, die um Gottes Willen keinen Raum lassen für ihren Verstand. Bis auf Menschen, die um ihres Verstandes Willen keinen Raum lassen für Gott.

Man sollte in schlechten Zeiten nie vergessen, daß es auch mal anders war. In guten aber auch nicht.

Christliche und weltliche Ethik unterscheiden sich im Hinblick auf die Duldsamkeit gegenüber Handlung und Verfehlung. Gott erlaubt wenig und vergibt alles. Die Welt erlaubt viel, vergibt aber nichts.

Die gemeinsame Quelle von Wissenschaft und Religion ist das kindliche Staunen angesichts des Seins. Für die wissenschaftliche Vernunft muß es enden, in der religiösen Vernunft bleibt es erhalten.

Man kann wissen, daß man nicht alles glauben soll, doch sollte man nicht glauben, daß man alles wissen kann.

Der internationale Tourismus hat in den letzten 50 Jahren mehr Schaden angerichtet als der internationale Terrorismus.

Differenzerfahrung. Die Phrase „Ich weiß nicht mehr weiter“ in die Internetsuchmaschine google.de eingegeben, bringt im Ergebnis 103.000 Seiten, „Ich habe Hoffnung“ nur 69.400.

Der Wert einer Gesellschaft zeigt sich darin, ob sich die Bürger im Geiste der Brüderlichkeit begegnen oder auf dem Gang der Arbeitsagentur.

Es gibt zwei Sorten von Menschen: kluge und dumme. Einige der Dummen sind so dumm, weil sie vor lauter Liebe ihren Verstand verloren haben. Und einige der Klugen sind so klug, daß bei ihnen die Gefahr besteht, das Gegenteil tritt ein.

Es gibt Leute, die halten Katholiken für dumm, weil sie ohne zu denken dem Papst nachplappern. Sich selbst halten sie indes für klug, weil sie ohne zu denken Nietzsche zitieren.

Sicher: Einstein hätte unser Steuersystem kapiert. Unsicher: Wäre ihm noch Zeit geblieben für seine Relativitätstheorie?

Wenn Du selber schon zwölf Tode starbst, triffst Du gewiß bald jemanden, der gerade stirbt den dreizehnten.

Die meisten großen Philosophen sind wie die Ozonschicht. Ihre Bedeutung erkennt man erst, wenn sie nicht mehr da sind.

Männer sind verunsichert, wenn Frauen sie verunsichern. Frauen sind nicht verunsichert, wenn Männer sie verunsichern, sondern wenn Männer verunsichert sind.

Man kann Gott nicht beweisen. Nicht einmal mit Wundertaten. Hätte ein Atheist Jesus über das Wasser laufen sehen, hätte er wohl gesagt. „Das soll Gottes Sohn sein? Ein Nichtschwimmer?“

Gott darf nicht bewiesen werden, selbst wenn dies leicht wäre. Gott muß bezeugt werden, auch wenn es schwer fällt.

Ethik für das 21. Jahrhundert: Die Entschuldigung, daß man können müsse, was man tun soll, sollte der Einsicht Platz machen, daß man tun sollen muß, was man kann.

Was ist von einer Gesellschaft zu halten, in der Liebe, Weisheit, Geborgenheit und Glück nur noch als Teesorten erhältlich sind?

Ein Relativist: Es gibt keine Wahrheit, es gibt nur Dinge, die zu einer bestimmten Zeit für wahr gehalten werden. Ein Zeitgenosse: Das halte ich für falsch.

Das Fasten, das Gott am besten gefällt, ist nicht der Verzicht auf Alkohol, Süßigkeiten, Internet oder Fernsehen, sondern der Verzicht auf die Sünde.

Klimawandelleugner gleichen bisweilen Menschen, die ihren Arzt beschimpfen, wenn der auf ihren erhöhten Cholesterinspiegel zu sprechen kommt.

Ich lebe lieber in einer Gesellschaft, in der es erlaubt ist, „Big Brother“ zu gucken, als in einer, in der man gezwungen wird, Heidegger zu lesen.

Der Unterschied zwischen einem religiösen Philosophen und einem Religionsphilosophen ist der zwischen einem Gourmetkoch und einem Lebensmittelchemiker. Beide arbeiten mit Kartoffeln, doch der eine braucht sie, um daraus Kroketten zu machen und der andere, um deren Nährwert zu bestimmen.

Glück besteht in der Einsicht in den Mangel an realistischen Alternativen zur momentanen Lebenssituation. Wer theoretisch eine bessere Lage herbeiführen könnte, aber zugleich weiß, daß er praktisch dazu nicht fähig ist, wird unglücklich.

Die eigene Erfahrung ist eine sprudelnde Quelle der Einsicht, aber nicht die einzige. Sonst müßte jeder, der für den Frieden ist, einen Krieg erlebt haben.

Die tiefe Bedeutung der Heiligen liegt darin, daß mit dem lebendigen Glauben der Toten der tote Glaube der Lebenden erneuert wird.

Wir haben nicht immer die Möglichkeit zu tun, was wir wollen. Doch was uns stets bleibt, ist die Möglichkeit zu wollen, was wir tun.

Nur weil jemand gegen den Mainstream schreibt, bedeutet dies noch lange nicht, daß er Recht hat.

Nichts ist ernster als Menschen, die manchmal über die Welt lachen, nichts lächerlicher als Menschen, die sie immer ernst nehmen.

Die Geschichte der Menschheit besteht aus Perioden des Krieges und Perioden der Aufrüstung.

Die eigene Position in Zweifel zu ziehen, das verhindert bei manchem Skeptiker nicht die resultierende Paradoxie, sondern die vorausgehende Arroganz.

Philosophie ist die Systematisierung des menschlichen Schicksals ewig neuer Windung um stets dieselben Fragen.

Mülltrennung rettet nicht die Welt, Mülltrennung rettet die gute Beziehung zum Hausmeister.

Häufig wird in der Liebe zwischen begehrend und schenkend unterschieden, zwischen Eros und Agape. Doch es gibt nur eine Liebe. Denn es gibt keine echte Agape ohne begehrende Sinnlichkeit und keinen echten Eros ohne ein schenkendes Wohlwollen.

Manche Religionskritiker sind das glatte Gegenteil von frisch Verliebten. Diese verstehen sich, ohne viele Worte zu verlieren, jene verlieren viele Worte, ohne zu verstehen.

Eine der größten Qualen scheint mir, mit Worten nicht ausdrücken zu können, was man fühlt.

Mit den Schwächen des Anderen sollte man umgehen wie mit den eigenen Stärken: zurückhaltend.

Man merkt als Autor, daß man sein Selbstwertgefühl zu sehr vom Job abhängig macht, wenn man in Phasen seelischer Unausgeglichenheit nicht seine Frau fragt: „Liebst Du mich?“, sondern den Kollegen: „Liest Du mich?“

Am Anfang und am Ende seines Daseins wünscht sich der Mensch den festen Boden der Begründetheit. Doch an entscheidenden Stellen muß er sich mit der Vagheit des Lebens arrangieren. Die Frage „Warum liebst Du mich?“ ist der Anfang vom Ende der Liebe.