Karl Kraus Zitate
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Die Ehre ist der Wurmfortsatz im seelischen Organismus. Ihre Funktion ist unbekannt, aber sie kann Entzündungen bewirken. Man soll sie getrost den Leuten abschneiden, die dazu inklinieren, sich beleidigt zu fühlen.
Humanität ist das Waschweib der Gesellschaft, das ihre schmutzige Wäsche in Tränen auswindet.
Kein Zweifel, der Hund ist treu. Aber sollen wir uns deshalb ein Beispiel an ihm nehmen? Er ist doch nur dem Menschen treu und nicht dem Hund.
Ich verlange von einer Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst.
Kein Mensch, der eine meiner gedruckten Arbeiten absucht, wird eine Naht erkennen. Und doch war alles hundertmal aufgerissen.
Wahnverpflichtet durchs Leben wanken – das könnte immer noch ein aufrechterer Gang sein als der eines Wissenden, der sich an den Abgründen entlang tastet.
Vervielfältigung ist insofern ein Fortschritt, als sie die Verbreitung des Einfältigen ermöglicht.
Die stärkste Kraft reicht nicht an die Energie heran, mit der manch einer seine Schwäche verteidigt.
Vielwisser dürften in dem Glauben leben, daß es bei der Tischlerarbeit auf die Gewinnung von Hobelspänen ankommt.
Der Scheinmensch kann alles, er kann sündigen und er kann auch bereuen. Aber er wird durch die Sünde nicht schlechter und durch die Reue nicht besser.
Wenn ein Gedanke in zwei Formen leben kann, so hat er es nicht so gut wie zwei Gedanken in einer Form.
Das Talent ist ein aufgeweckter Junge. Die Persönlichkeit schläft lange, erwacht von selbst und gedeiht darum besser.
Einem Raubvogel Tief in mein Innres reichen seine Krallen: Er stiehlt schon, was mir noch nicht eingefallen.
Es empfiehlt sich, Herren, die das Angebot einer Zigarre mit dem Satz beantworten: Ich sage nicht nein, sofort totzuschlagen. Es könnte nämlich sonst der Fall eintreten, dass sie auf die Frage, wie ihnen eine Frau gefalle, die Antwort geben: ‚Ich bin kein Kostverächter
Sie haben nicht einen Gedanken, doch sie sind in der Lage, ihn zu Papier zu bringen – so wird man Journalist.
Wenn die Sprache zu einem Vergleich die Volkswirtschaft braucht und es stimmt in etwas nicht, so kann die Sprache nichts dafür. Der Volkswirt sollte nachgeben.
Jedem das Seine Ich darf wohl sagen, viel Feind, viel Ehr‘, An mir hat das Sprichwort nicht gelogen. Ich hab‘, war der Haß gleich zentnerschwer, Mit Epigrammen ihn aufgewogen.
Das Hauptwort ist der Kopf, das Zeitwort ist der Fuß, das Beiwort sind die Hände. Die Journalisten schreiben mit den Händen.
Wenn ich vortrage, so ist es nicht gespielte Literatur. Aber was ich schreibe, ist geschriebene Schauspielkunst.
Ei sieh, der Verwaltungsrat der Kretinose Aktiengesellschaft und der Direktor der vereinigten Banalitätswerke!
Die Zeitungen haben zum Leben annähernd dasselbe Verhältnis, wie die Kartenaufschlägerinnen zur Metaphysik.
Der Unterschied zwischen den Psychiatern und den anderen Geistesgestörten, das ist etwa das Verhältnis von konvexer und konkaver Narrheit.
Fürs Leben gern wüßt‘ ich: was fangen die vielen Leute nur mit dem erweiterten Horizont an?
Einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es kann, ist oft schwer. Viel leichter ist es, einen Aphorismus zu schreiben, wenn man es nicht kann.
Der Journalismus ist ein Terminhandel, bei dem das Getreide auch in der Idee nicht vorhanden ist, aber effektives Stroh gedroschen wird.
Die Irrsinnigen werden vom Psychiater allemal daran erkannt, daß sie nach der Internierung ein aufgeregtes Benehmen zur Schau tragen.
Es gibt Heuchler, die mit einer unehrlichen Gesinnung prahlen, um unter solchem Schein sie zu besitzen.
Ein Politiker steckt im Leben, unbekannt wo. Der Ästhet flieht aus dem Leben, unbekannt wohin.
Des Weibes Sinnlichkeit ist der Urquell, an dem sich des Mannes Geistigkeit Erneuerung holt.