Zitate von Kurt Tucholsky
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Es gibt so wenig brauchbare Buch-Kritiken, weil jeder Schriftsteller fälschlich annimmt, er könne, weil er Schriftsteller ist, auch Kritiken schreiben.
Der Zustand der gesamten menschlichen Moral läßt sich in zwei Sätzen zusammenfassen: Wir sollten, aber wir tun nicht.
Das ist hier wie beim Kommiß. Ein allgemeiner Mief, aber niemand kann seinen eigenen Anteil daran noch unterscheiden.
Man kann in der Provence die Kunstdenkmäler systematisch untersuchen, auf Stilreinheit, Baualter und Grundriß; man kann den Olivenhandel statistisch und tabellarisch darstellen, dass es nur so saust vor Zahlen – man kann aber auch in diesem wunderschönen Lande spazierengehen.
Es gibt nur eine Sorte Pazifismus: Den, der den Krieg mit allen Mitteln bekämpft. Ich sage: Mit allen, wobei also die ungesetzlichen eingeschlossen sind.
Zu seinem Wiederaufbau braucht Deutschland vor allem einmal viele Generationen, die gar nicht wissen, was ein Dienstbefehl ist. Wir haben genug von „gedienten Leuten“. Das Gesetz muß – im Namen der Freiheit – verschwinden.
Wer in der Öffentlichkeit Kegel schiebt, muss sich gefallen lassen, dass nachgezählt wird, wieviel er getroffen hat.
Lebst du mit ihr gemeinsam – dann fühlst du dich recht einsam. Bist du aber alleine – dann frieren die Beine. Lebst du zu zweit? Lebst du allein? Der Mittelweg wird wohl das richtige sein.
Dieses Deutschtum ist ein unerträgliches, und sein Wert besteht nur in der Einbildung.
Wer viel von dieser Welt gesehen hat, der lächelt, legt die Hände auf den Bauch und schweigt.
Manchen Leuten ist ein Stehplatz in der ersten Klasse lieber als ein Sitzplatz in der dritten.
Emigranten. In Paris gibt es viele davon. Bei allem Mitgefühl: sie sind fast immer von einer leisen Komik umwittert… alle sitzen hier und waren, daß ihr gesetzwidriges, akutes, momentanes Regime nun aber ganz bestimmt zusammenbreche. Es bricht aber nicht.
Schwer ist es, dem Schulmeister zu antworten, der im Leser versteckt hier und da ans Licht drängt. Die Brille blitzt, ein Zeigefinger droht, und ich muß das Lexikon wälzen und streiten, und zum Schluß haben wir beide recht.
Man ist in Europa ein Mal Staatsbürger und zweiundzwanzig Mal Ausländer. Wer weise ist: dreiundzwanzig Mal.
Politik kann man in diesem Lande definieren als die Durchsetzung wirtschaftlicher Zwecke mit Hilfe der Gesetzgebung. Die Politik war bei uns eine Sache des Sitzfleisches, nicht des Geistes.
Eines Tages kam ein Pfarrer zu einem Versicherungsagenten, der im Sterben lag. Er war ein schlechtes Schaf der Kirche gewesen, alle seine Tage. Und es wird berichtet: Der Agent starb ungläubig, wie er gelebt hatte – aber der Pfarrer ging versichert von dannen.
Eine gute Privatsekretärin ist unsichtbar, unhörbar, nur wahrnehmbar, wenn sie einmal nicht da ist.
Es muß Menschen geben, die etwas erst dann richtig aufnehmen, wenn sie es selber gesagt haben.
Ich habe Pornographien Toulouse-Lautrecs gesehen – sie waren langweilig. Daneben aber hing der Halbakt einer Frau, vor einer Waschschüssel, und ein Meer von Frau lag darin, Fleisch, Duft, Härchen, Körper und das ganze Mysterium der Liebe.
Kunst, Niveau, Anständigkeit, Gesinnung – es ist nicht leicht: Daß es aber mit Geld allein nicht zu machen ist, darauf kann man sich verlassen.
Gegen Hitler und seine Leute ist jedes Mittel gut genug. Wer so schonungslos mit andern umgeht, hat keinen Anspruch auf Schonung – immer gib ihm!
Was aber machte der Mann, der aus Deutschland stammte, zuallererst? Er machte sich wichtig.
Der geschickte Journalist hat eine Waffe: das Totschweigen – und von dieser Waffe macht er oft genug Gebrauch.
Einen Titel muß der Mensch haben. Ohne Titel ist er nackt und ein gar grauslicher Anblick.
Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger! Macht unsre Bücher billiger!
Aus Breslau zu stammen, das ist keine ethnographische Bestimmung: das ist eine Weltanschauung.
Der Chef hat ganz andere Sachen im Kopf, als das Personal denkt. Vor allem denkt er gar nicht soviel an das Personal, wie das Personal annimmt.
Je engstirniger, je kleiner, je schmalhorizontiger der Standpunkt eines Menschen – um so unnachgiebiger wird er vertreten.
Die Zentrale ist eine Kleinigkeit unfehlbarer als der Papst, sieht aber lange nicht so gut aus.
Kinder haben keinen Humor. Sie werden sich an die tausend und eine Einzelheit halten, von denen eine immer schöner ist als die andere – an das, was geschieht und daran, wie es geschieht.
Wenn man einen Menschen richtig beurteilen will, so frage man sich immer: Möchtest du den zum Vorgesetzten haben?
Der Chef organisiert von Zeit zu Zeit den Betrieb völlig um. Das schadet aber nichts, weil ja doch alles beim alten bleibt.
Der Pessimist: Ich werde also eines Tages sterben. Natürlich – das kann ja auch nur mir passieren.
Ein vernünftiges Wort zur rechten Zeit hilft fast immer; eine Aussprache ist dann erstaunlich leicht.