Kurt Tucholsky Zitate
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Aus Breslau zu stammen, das ist keine ethnographische Bestimmung: das ist eine Weltanschauung.
Eine Frömmigkeit, die nur dann, verstaubt und verrostet, aus der Schublade geholt wird, wenn und weil der Träger im Dreck sitzt, ist keine. Sage mir, zu wem du betest, wenn es dir gut geht, und ich will dir sagen, wie fromm du bist. Not lehrt beten; aber das echte Gebet ist das nicht.
Es gibt so wenig brauchbare Buch-Kritiken, weil jeder Schriftsteller fälschlich annimmt, er könne, weil er Schriftsteller ist, auch Kritiken schreiben.
Schön ist Beisammensein. Die Haut friert nicht. Alles ist leise und gut. Das Herz schlägt ruhig.
Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.
Pflicht – Gehorsam – Arbeit: es wimmelt nur so von solchen Worten bei uns, hinter denen sich Eitelkeit, Grausamkeit und Überheblichkeit verbergen.
Eine falsche Allgemeinbildung und damit die Verflachung der Bildung haben dazu geführt, daß jeder jedes zu können glaubt.
Blinde! Keiner, keiner der Führer, aufgeblasen und bunt, steht vor Gott so menschlich und hoch wie euer Hund!
Ich weiß sehr genau, was die Leute wollen: die Welt ist bunt, sinnlos, prätentiös und intellektuell aufgeplustert. Das wollen sie verhöhnen, aufzeigen, verneinen, zerstören.
Wenn der Deutsche hinfällt, steht er nicht auf, sondern sieht sich um, wer ihm schadensersatzpflichtig ist.
Das Christentum hat viel Gutes auf Erden bewirkt. Doch wird dies tausendfach durch das Schlimme überboten, das die christliche Idee mit der Vergiftung des Liebeslebens angerichtet hat.
Nie versteht ein Liebender, daß was gewesen ist, einst nicht mehr gelten kann – es war doch aber einmal!
Der Proletarier, der einen Lastwagen umschmeißt, fliegt ins Loch. Der Staatsmann, der ein Volk ins Verderben chauffiert, schreibt seine Memoiren. Der Lokomotivführer hat die Verantwortung. Der Staatsmann trägt sie.
Und die Literatur hat in den sechstausend Jahren Menschheitsgeschichte immer nur eine, nämlich ihre Aufgabe gehabt: Geist in Form von geschriebenen oder gedruckten Zeilen zu verbreiten.
So süß ist keine Liebesmelodie, so frisch kein Bad, so freundlich keine kleine Brust wie die, die man nicht hat.
Wenn bei uns die Ideen populär werden, dann bleibt die Popularität, die Idee geht gewöhnlich zum Teufel.
Es ist ein schwerer Irrtum, zu glauben, daß sich das Wertvollste erhält oder daß das Wertvolle nach Jahrhunderten zu neuem Leben und endgültiger Wirkung auftaucht. Erhalten bleibt: wer am lautesten geschrien hat.
Es gibt ein Sakrileg auf der Welt: es besteht darin, den Helden einer Kategorie mit den Maßstäben einer andern zu messen, was meistens zu Lächerlichkeiten, Karikaturen, Bosheiten führt. Manchmal zur Wahrheit.
Ein Podium ist eine unbarmherzige Sache – da steht der Mensch nackter als im Sonnenbad.
Dein tiefstes Lebensgefühl – wann hast du das gehabt? Mit einem Freund? Immer allein.
Hinter den Kulissen deines Daseins soll kein Moderkram von Ding-Leichen liegen: psychoanalysiere dein Besitztum und laß nicht in verstaubten Ecken dein altes Leben gären. Es lohnt nicht; es lastet nur.
Ich habe Pornographien Toulouse-Lautrecs gesehen – sie waren langweilig. Daneben aber hing der Halbakt einer Frau, vor einer Waschschüssel, und ein Meer von Frau lag darin, Fleisch, Duft, Härchen, Körper und das ganze Mysterium der Liebe.
Für mich sorgen sie alle. Kirche, Staat, Ärzte und Richter. Wenn aber diese neun Monate vorbei sind, dann muss ich sehen, wie ich weiterkomme.
Die Dänin ist reizend konsequent. Ihre Treue reicht sogar zur gleichen Zeit für mehrere aus.
Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.