Zitate von Leo Tolstoi
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Meide das Urteilen über dich selbst und vor allem das Vergleichen deiner selbst mit andern. Vergleiche dich nur mit der Vollkommenheit.
Jeder Mensch ist, wie alle, unvollkommen in allem, aber dennoch in irgendeiner Hinsicht vollkommener als in anderer; und so stellt er diese Vollkommenheiten den anderen Menschen gegenüber als Forderungen auf und richtet die anderen.
Eine Frau darf nie zugeben, daß ihr Mann klug und praktisch ist; täte sie es doch, müßte sie ihm gehorchen, und umgekehrt.
Es gibt keine wahrere Leidenschaft außer der, welche die Erschaffensfreude bringt, ob jemand nun Bleistifte, Stiefel, Brot oder Kinder macht. Ohne diese gibt es keine wahre Befriedigung.
Nichts verschönt das eigene wie das Leben der Mitmenschen so sehr, wie das zur Gewohnheit gewordene Bestreben, gut zu sein.
Man kann sich um Enthaltsamkeit bemühen, aber ein Trunkenbold bleibt ein Trunkenbold und ein Wüstling ein Wüstling – beim ersten Nachlassen der Aufmerksamkeit wird er rückfällig.
Wer etwa daran zweifelt, dass Weisheit und Selbstaufgabe untrennbar miteinander verbunden sind, der soll einmal darauf achten, wie am anderen Ende Dummheit und Egoismus immer Hand in Hand gehen.
Wenn du keinen Menschen töten kannst – gut. Kannst du kein Vieh und keine Vögel töten – besser. Keine Fische und Insekten – noch besser. Bemühe dich, soweit wie möglich zu kommen. Grüble nicht, was möglich ist und was nicht. Tu, was du mit deinen Kräften zustande bringst. Darauf kommt alles an.
Das Glück besteht nicht darin, daß du tun kannst, was du willst, sondern darin, daß du auch immer willst, was du tust.
Bisweilen wird die Wahrheit als ein Ideal hingestellt. Das ist falsch: Wahrheit ist Fehlen von Lüge.
Hauptursache für unglückliche Ehen ist, dass die Menschen in dem Gedanken erzogen werden, die Ehe schenke Glück. Die Ehe ist aber keineswegs Glück, vielmehr immer Leiden, mit dem der Mensch für seine sexuelle Befriedigung bezahlt.
Die Menschen leben nicht davon, daß sie für sich selber sorgen; sie leben von der Liebe, die in den Menschen ist. In wem Liebe ist, in dem ist Gott. Gott ist in ihm, weil Gott Liebe ist!
Für uns, die wir von Christus den Maßstab des Guten und Bösen erhalten haben, gibt es nichts Unmeßbares. Und es gibt keine Größe, wo nicht Schlichtheit, Herzensgüte und Wahrhaftigkeit vorhanden ist.
Die böse Eingebung wird nur durch die gute verdrängt. Das mächtigste Mittel guter Eingebung ist aber ein gutes Leben.
Du hast kein Mitleid mit dir selbst gehabt – du hast dich nicht geschont – Gott wird mit dir Mitleid haben.
Wir werden nicht geliebt, weil wir so gut sind, sondern weil diejenigen, die uns lieben, gut sind.
Die Menschen sind vernünftige Wesen. Weshalb richten sie sich denn nicht im öffentlichen Leben nach der Vernunft, sondern nach der Gewalt?
Es kann keine gute Einrichtung in einer Gesellschaft geben, die eingeteilt ist in Reiche – Herrschende und Arme – Gehorchende.
Die Schädlichkeit der Medizin besteht darin, daß sich die Menschen mehr mit ihrem Leib als mit ihrem Geist befassen.
Zur Anregung meiner Galle lese ich Nietzsche. Es lohnt sich, ihn zu lesen, um sich darüber zu entsetzen, woran sich die Leute begeistern.
Das fundamentale religiöse Gefühl besteht im Bewußtsein der Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen.
Das Leben ist uns – wie das Kind der Amme – zum Aufziehen gegeben. Das nämliche wird im Gleichnis von Talenten gesagt.
Ausdauer und Entschlossenheit sind zwei Eigenschaften, die bei jedem Unternehmen den Erfolg sichern.
Wer nicht selbständig denkt, der steht unter der Suggestion eines anderen, der für ihn denkt. Jemandem seine Gedanken zu eigen übergeben, ist eine erniedrigendere Knechtschaft, als jemandem seinen Leib zu eigen geben.
Wenn wir, solange wir Leben, dem Weg der Freude folgen, werden wir am Ende eins mit diesem Weg.
Ach, würden die Menschen doch nur antworten, wenn sie gefragt würden, und sonst schweigen und schweigen.
Das Gedächtnis hebt die Zeit auf: Es vereint, was dem Anschein nach getrennt vor sich geht.
Nur der Geist gibt dem Menschen Leben, und von den Menschen hängt es ab, ob sie es behalten oder verlieren. Durch das Leben des Fleisches quälen die Menschen sich und andere, durch das Leben des Geistes werden sie die volle Befriedigung des Lebens erreichen, die ihnen auch vorbestimmt ist.
Man kann nicht einmal sagen, die Umstände bestimmten unser Fühlen, vielmehr bestimmt unser Fühlen die Umstände.
Die Musik zwingt mich, mich selbst, meine wahre Lage zu vergessen; sie bringt mich in eine andere freundlichere Lage; unter Einwirkung der Musik scheint es mir, als fühle ich etwas, was ich nicht fühle, als verstünde ich, was ich nicht verstehe und als könnte ich, was ich nicht kann.
Das Leben der Völker ist überall das Gleiche. Die Hartherzigen, Unmenschlichen und Müßigen ernähren sich durch Gewalt und Krieg, die Gutherzigen, Sanften und Fleißigen dulden lieber. Die Geschichte ist eine Geschichte solcher Gewalt und ihrer Bekämpfung.
Güte ist in Beziehungen zu Menschen eine Pflicht. Bist du nicht gütig gegen Menschen, so bist du böse und erweckst Bosheit in ihnen.
Dogmatiker – mit solchen Leuten kann man nicht diskutieren, man kann ihnen Nachsicht angedeihen lassen, sie bedauern, zu heilen versuchen, aber man muss sie als Geisteskranke betrachten und darf mit ihnen nicht streiten.
Für den, der sich in Gedanken zum Himmel erhebt, wird es immer klare Tage geben: Über den Wolken scheint immer die Sonne.
Nur in seiner Seele findet der Mensch die Kraft zur Erfüllung seiner wirklichen Bestimmung in der Welt.