Marie von Ebner-Eschenbach Zitate
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Wer es versteht, den Leuten mit Anmut und Behagen Dinge auseinander zu setzen, die sie ohnehin wissen, der verschafft sich am geschwindesten den Ruf eines gescheiten Menschen.

Wenig Leidenschaft, große Herzenswärme, Verstand, Anmut, leichte Umgangsformen, Respekt vor dem Ernst, Verständnis für den Scherz – summa summarum: – Liebenswürdigkeit.

So reich unser Leben an wohlausgenützten Gelegenheiten war, vortrefflichen Menschen nahezustehen, so reich ist es überhaupt gewesen.

Wenn wir nur noch das sehen, was wir zu sehen wünschen, sind wir bei der geistigen Blindheit angelangt.

Geringe Kunst, humoristisch zu sein, wenn man sich nicht scheut, zynisch zu sein.

Es kommt vor, daß Berge Mäuse gebären; manchmal tritt aber auch der entsetzliche Fall ein, daß einer Maus zugemutet wird, einen Berg zu gebären.

Es hat noch niemand etwas Ordentliches geleistet, der nicht etwas Außerordentliches leisten wollte.

Sich von einem ungerechten Verdacht reinigen zu wollen, ist entweder überflüssig oder vergeblich.

Eine Vernunftehe schließen, heißt in den meisten Fällen, alle seine Vernunft zusammenzunehmen, um die wahnsinnigste Handlung zu begehen, die ein Mensch begehen kann.

Wirklich gute Freunde sind Menschen, die uns ganz genau kennen, und trotzdem zu uns halten.

Die Sehenden sind es nicht, die sich für sehend halten, immer nur die Blinden.

Dem, der uns Gutes tut, sind wir nie so dankbar wie dem, der uns Böses tun könnte, es jedoch unterläßt.

Viele Männer gibt es, viele Frauen, die vernünftig sind im Umgang mit dem eigenen und, ach, so albern im Umgang mit dem anderen Geschlecht.

Die Hoffnung auf den Sperling fern am Dachesrand Ist schöner als die schönste Taube in der Hand.

Kein Mensch steht so hoch, daß er anderen gegenüber nur gerecht sein dürfte.

Es stände besser um die Welt, wenn die Mühe, die man sich gibt, die subtilsten Moralgesetze auszuklügeln, an die Ausübung der einfachsten gewendet würde.

Jeder Dichter und alle ehrlichen Dilettanten schreiben mit ihrem Herzblute, aber wie diese Flüssigkeit beschaffen ist, darauf kommt es an.

Und ich habe mich so gefreut! sagst du vorwurfsvoll, wenn dir eine Hoffnung zerstört wurde. Du hast dich gefreut – ist das nichts?

Geduld mit der Streitsucht der Einfältigen! Es ist nicht leicht zu begreifen, dass man nicht begreift.

Die meisten Menschen ertragen es leichter, daß man ihnen zuwider handelt, als daß man ihnen zuwider spricht.

Man sagt „in jungen Jahren“ und „in alten Tagen“. Weil die Jugend Jahre, das Alter nur noch Tage vor sich hat?

Daß alles vergeht, weiß man schon in der Jugend; aber wie schnell alles vergeht, erfährt man erst im Alter.

Wir entschuldigen nichts so leicht wie Torheiten, die uns zuliebe getan wurden.

Zu späte Erfüllung einer Sehnsucht labt nicht mehr. Die lechzende Seele zehrt sie auf wie glühendes Eisen einen Wassertropfen.

Jeder Mensch muß etwas haben, worin er glauben darf, sich hervorzutun, ich halte mich für eine Leserin von Gottes Gnaden. Soviel Freude kann nur sehr Wenigen ein Brief oder ein Buch machen – davon bin ich überzeugt.

Es gibt keine schüchternen Lehrlinge mehr, es gibt nur noch schüchterne Meister.

Die Leute verheiraten einen Feuerbrand an eine Wachsfigur und predigen dem Ehepaar Liebe und Eintracht.

Wir sind so eitel, daß uns sogar an der Meinung der Leute, an denen uns nichts liegt, etwas gelegen ist.

Ein fauler und ein fleißiger Mensch können nicht miteinander leben, der faule verachtet den fleißigen gar zu sehr.

Es gibt eine nähere Verwandtschaft als die zwischen Mutter und Kind: die zwischen dem Künstler und seinem Werke.

Einer der seltensten Glücksfälle, die uns werden können, ist die Gelegenheit zu einer gut angewendeten Wohltat.

Die Menschen, die wir am meisten verwöhnen, sind nicht immer die, die wir am meisten lieben.

Wer an die Freiheit des menschlichen Willens glaubt, hat nie geliebt und nie gehaßt.

Wohlerzogene Menschen sprechen in Gesellschaft weder vom Wetter noch von der Religion.

Das scheinbar am unnötigsten gebrachte, törichtste Opfer steht der absoluten Weisheit immer noch näher als die klügste Tat der sogenannten berechtigten Selbstsucht.

Wenn alberne Leute sich bemühen, ein Geheimnis vor uns zu verbergen, dann erfahren wir es gewiß, so wenig uns auch danach gelüstet.

Dass so viel Ungezogenheit gut durch die Welt kommt, daran ist die Wohlerzogenheit schuld.

Die Änderung, die unser Naturell im Laufe des Lebens erfährt, sieht manchmal aus wie eine Änderung unseres Charakters.