Robert Musil Zitate

Es wird ein Teil des Großen für das Ganze genommen, eine entfernte Analogie für die Erfüllung der Wahrheit, und der leergewordene Balg eines großen Worts wird nach der Mode des Tags ausgestopft.

Wunder wurden Wirklichkeit, weil sie nichts sind als eine immer vorhandene andere Art von Wirklichkeit.

Ein junger Mensch wird von einer schönen fünfzigjährigen Frau niemals sagen, die breiten ruhigen Formen und das Filigran des Faltenwerks dieser ehrwürdigen Kathedrale seien schön, sondern er wird flüchtig feststellen, sie sei alt.

Schreiben ist eine besondere Form des Schwätzens.

Wenn man durch geöffnete Türen kommen will, muß man die Tatsache achten, daß sie einen festen Rahmen haben.

Ideologien bellen sich gegenseitig an, aber sie beißen nicht.

Nie ist das, was man tut, entscheidend, sondern immer erst das, was man danach tut.

Der Augenblick ist nichts als der wehmütige Punkt zwischen Verlangen und Erinnern.

[...] Ruhm, durch geistige Leistungen erworben, zerfließt merkwürdig rasch, sobald man mit seinen Trägern verkehrt.

Das Nicht-Haben ist der Anfang allen Denkens.

Es geht nicht anders, lieber Törleß, die Mathematik ist eine ganze Welt für sich, und man muß reichlich lange in ihr gelebt haben, um alles zu fühlen, was in ihr notwendig ist.

Zur Psychologie des Schafes: der sichtbare, gestaltete Ausdruck hoher Zustände ist dem der Blödheit nicht unähnlich.

Es ist das sicherste, einen Unsinn zu sagen: irgendwann geschieht er!

Aber ich glaube vielleicht, daß die Menschen in einiger Zeit einesteils sehr intelligent, andernteils Mystiker sein werden. Vielleicht geschieht es, daß sich unsere Moral bereits heute in diese zwei Bestandteile zerlegt. Ich könnte auch sagen: in Mathematik und Mystik.

Meistens ist das, was wir Realität nennen, bloß Gewohnheit.

Wir gebrauchen unsere Sprache so wie der Tausendfuß seine Füße, über die er nicht einen Augenblick nachdenken darf, wenn ihn nicht auf der Stelle der Schlag rühren soll.

Das kannst du doch nicht leugnen, daß wir in uns stecken wie die Figuren in einem Steinblock. Man muß sich aus sich herausarbeiten! Man muß sich gegenseitig dazu zwingen!

Etwas schön finden, heißt ja wahrscheinlich vor allem: es finden.

Zusammenhänge nehmen dem Erlebnis die persönliche Giftigkeit oder Süße!

Wenn die Dummheit nicht dem Fortschritt, dem Talent, der Hoffnung oder der Verbesserung zum Verwechseln ähnlich sähe, würde niemand dumm sein wollen.

Bei jedem gesunden Pessimismus kommt es nur darauf an, dass man etwas Unentrinnbares hat, woran man sich halten kann.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die tiefste Anlehnung des Menschen an seinen Mitmenschen in dessen Ablehung besteht.

Es gibt gegen die unberechenbaren Regungen eines leidenschaftlichen Herzens nur ein zuverlässiges Mittel: streng bis zum letzten durchgehaltene Planmäßigkeit.

Namentlich ein gewisser unterer Mittelstand des Geistes und der Seele ist dem Überhebungsbedürfnis gegenüber völlig schamlos, sobald er im Schutz der Partei, Nation, Sekte oder Kunstrichtung auftritt und Wir statt ich sagen darf.

[D]urch die glanzvolle Ausübung der Tugend wird unwillkürlich auch die menschliche Neigung zu Überhebung und Eitelkeit gefördert, wogegen die unscheinbare alltägliche Ausübung schlechthin aus ungewürzter und reiner Tugend besteht.

Der geliebte Mensch scheint dort zu stehen, wo sonst etwas fehlt.

Unsere Zeit ist eine Zeit der Erfüllung, und Erfüllungen sind immer Enttäuschungen.

Ich bin von sehr vielseitiger Unwissenheit.

Wie wenig ernst gemeint sind [...] die gewöhnlichen Fragen nach unserem Wohlergehen. Man braucht bloß einmal ausführlich zu antworten, wie einem wirklich ums Herz ist, und sieht sich bald genug einem gelangweilten und geistesabwesenden Blick gegenüber!

Man sollte niemals vergessen, daß der innerste Brunnen einer Literatur ihre Lyrik ist...

Fest wie ein Diamant und zart wie eine Mutter muß man sein!

Man kann seiner eigenen Zeit nicht böse sein, ohne selbst Schaden zu nehmen.

Die Natur und der eigentümliche Geist der Liebenden blicken einander in die Augen, es sind das zwei Richtungen der gleichen Handlung, es ist ein Fließen in zwei Richtungen und ein Brennen von zwei Enden.

Fortschritt wäre wunderbar - wenn er einmal aufhören würde.

Es stammen aber die Namen Ziel und Zweck aus der Sprache der Schützen: Bedeutet also ziellos und zwecklos in seinem ursprünglichen Zusammenhang nicht soviel wie kein Tötender sein?

Wer uns bedeuten will, was 'universelle Bildung' sei [...], dem sollte wahrhaftig zuerst geraten werden: erfahre, wie dem anderen zumute ist! Durch Mitleid wissend, es bedeutet tausendmal mehr, als durch Bücher wissend sein!

Ist es ein allgemeines Gesetz, dass etwas in uns ist, das stärker, größer, schöner, leidenschaftlicher, dunkler ist als wir?

Es gibt auf der ganzen Welt kein anderes Mittel, ein Ding oder Wesen schön zu machen, als es zu lieben.

[W]ie doch Nachgiebigkeit gegen Poesie gleich überheblich macht!

Es ist die Wirklichkeit, welche die Möglichkeiten weckt.

Man liebt immer bloß die Stellvertreter der Richtigen. ... Wenn ein Mensch zum zweiten Mal liebt, so verwechselt er zwar nicht die Personen, aber das Bild der neuen ist an vielen Stellen nur eine Übermalung von dem der alten.

Die Moral unserer Zeit ist, was immer sonst geredet werden möge, die der Leistung. Fünf mehr oder weniger betrügerische Konkurse sind gut, wenn auf den fünften eine Zeit des Segens und des Segenspendens folgt. Der Erfolg kann alles vergessen machen.

Ein Unterschied: Nicht das Genie ist hundert Jahre seiner Zeit voraus, sondern der Durchschnittsmensch ist um hundert Jahre hinter sich zurück.

Wie wenig Menschen [...] haben eine wahrhaft mitfühlende Seele!

Ein Mensch kann höchstens noch mit einem zweiten Menschen sachlich und vernünftig sprechen... das bekannte Leiden des zeitgenössischen Menschen, das man Zivilisation nennt.

Eine Liebesbeziehung kann man zerreden. Zerschweigen kann man sie nicht.

Das gemeinsame Glück zweier Menschen ist nichts anderes als zwei kleine, nebeneinander geritzte Striche in die Unendlichkeit.

In dem Kleinen, was ich recht tue, sehe ich ein Bild von allem Großen, was in der Welt recht getan wird.

Je unerschütterlicher die Geduld in dir wird, [...] desto sicherer wirst du den andern ins Herz treffen!

Alles, was wir denken, ist entweder Zuneigung oder Abneigung.