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Wer Befehle willig vollzieht, der entgeht dem, was an der Knechtschaft das Härteste ist: tun müssen, was man nicht will.
SenecaAlso selbst darauf habt ihr kein Einsehen, daß böse Beispiele auf die zurückwirken, welche sie veranlassen?
SenecaZorn gleicht einem vorübergehenden Wahnsinn, denn er ist, ebensowenig wie dieser, Herr über sich selbst.
SenecaUnstetes Hin- und Herflattern ist Anzeichen eines krankhaften Gemütszustandes. Erstes Anfordernis an eine Geistesverfassung, die als eine wohlgeordnete gelten soll, ist meines Erachtens die Fähigkeit, den Schritt zu hemmen und Einkehr in sich selbst zu halten.
SenecaDie menschliche Gesellschaft gleicht einem Gewölbe, das zusammenstürzen müßte, wenn sich nicht die einzelnen Steine gegenseitig stützen würden.
SenecaNichts von dem, was wir mit so tiefer Ergriffenheit betreiben, ist wirklich ernst und groß. Eben darin liegt, behaupte ich, der Grund für eueren Zorn und euere Sinnesverwirrung: ihr achtet das Kleine für groß.
SenecaUnser Leben darf nicht an der Zukunft hängen, es muss innerlich gesammelt sein; denn der hängt von der Zukunft ab, der mit der Gegenwart nichts anzufangen weiß.
SenecaWie lange ich lebe, liegt nicht in meiner Macht; daß ich aber, solange ich lebe, wirklich lebe, das hängt von mir ab.
SenecaAlle Fehler nämlich sind, offen zu Tage, weniger wirksam: Auch Krankheiten neigen dann zur Gesundung, wenn sie aus dem Verborgenen hervorbrechen und ihre Kraft deutlich machen.
SenecaDas Wort "Frieden" ist etwas Süßes, der Friede selbst eine heilsame Sache, aber zwischen Frieden und Knechtschaft ist ein gewaltiger Unterschied.
SenecaZum Höchsten ist gelangt, wer weiß, worüber er sich freut, wer sein Glück nicht unter fremde Macht gesetzt hat.
SenecaFest und stark ist nur der Baum, der unablässig Windstößen ausgesetzt war, denn im Kampf festigen und verstärken sich seine Wurzeln.
SenecaErtragt mit Stärke; darin überragt ihr Gott, er steht außerhalb des Leidens, ihr steht darüber.
SenecaGehe so mit dem Niedrigen um, wie du wünschest, daß der Höhere mit dir umgehe. So oft dir einfällt, wie vieles dir gegen deinen Sklaven erlaubt ist, so laß dir auch einfallen, wie vieles deinem Herrn gegen dir erlaubt ist.
SenecaVor allem denke immer daran, den Dingen ihr Beängstigendes zu nehmen und darauf zu sehen, was in Wahrheit an ihnen ist; du wirst erkennen, daß ihnen selbst nichts Beängstigendes innewohnt, sondern daß unsere Furcht allein es ist, welche sie beängstigend macht.
SenecaAlle Fehler verlieren an Kraft, wenn sie offen zu Tage treten. Auch die Krankheiten zeigen dann schon eine Neigung zur Genesung, wenn sie aus der Verborgenheit hervorbrechen und ihre Kraft erkennen lassen.
SenecaJedes noch so harte Joch drückt den, der ruhig darunter geht, weniger als den, der widerstrebt. Das einzige Linderungsmittel bei großen Leiden ist, daß man in Geduld der Notwendigkeit gehorcht.
Seneca