Seneca Zitate
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Sieh dir die einzelnen an, überschaue die Gesamtheit: keiner, dessen Leben nicht auf morgen berechnet wäre. „Was ist denn dabei Schlimmes?“ fragst du. Unendlich viel. Denn man lebt nicht, man ist nur immer auf dem Sprunge zu leben. Man verschiebt alles.
Frage dich aber, ob nicht die Beschäftigung mit vielen Schriftstellern und das Lesen von Büchern mannigfachsten Inhaltes einer großen Unstetigkeit und Eilfertigkeit Vorschub leistet.
Allein die Frage wäre zu beantworten, ob es sinnvoll ist, an die äußerste Grenze des Alters zu gelangen…, denn es ist ein großer Unterschied, ob jemand sein Leben oder sein Sterben verlängert. Warum sollten wir unseren Geist nicht aus einem zerfallenden Körper hinausführen dürfen?
Es erschlafft die Tapferkeit ohne Gegner; erst dann tritt ihre Größe und ihre Kraft hervor, wenn sie durch geduldiges Beharren ihre Stärke bezeugt.
Was helfen dem Mann achtzig in Untätigkeit verbrachte Jahre? Das war kein Leben, nein, nur ein müßiges Verweilen im Leben; sein Sterben ist nicht spät erfolgt sondern hat nur eine lange Zeit für sich in Anspruch genommen.
Alles Menschliche ist im Flusse und gleitet dahin, und was uns im Leben am besten gefällt, das ist gerade das Flüchtigste und Zarteste.
Komme dem Verlangenden mit noch so reichlichen Mitteln entgegen, seine Begierde kennt keine Grenze sondern nur Steigerung.
Alle Fehler verlieren an Kraft, wenn sie offen zu Tage treten. Auch die Krankheiten zeigen dann schon eine Neigung zur Genesung, wenn sie aus der Verborgenheit hervorbrechen und ihre Kraft erkennen lassen.
Hat nicht manchmal umgekehrt sogar die Furcht kühn gemacht, und die Angst vor dem Tode auch die Untüchtigen ins Treffen gejagt?
Lass es nicht zu, dass Du durch jemandes Taten zornig wirst. Denn bedenke: wenn einer es schafft, schaffen es alle.
Die Beständigkeit ist ein Kennzeichen eines weisen Mannes. – Die Veränderung des Willens ist ein Zeichen eines schwimmenden Gemütes, das der Wind umhertreibt. Was fest und wohlbegründet ist, schweifet nicht umher.
Wenn du die wahre Beschaffenheit von irgend etwas kennenlernen willst, so überlasse es der Zeit; im Vorüberströmen sieht man nichts genau.
Denn lange kann Niemand eine Maske tragen und das Erheuchelte fällt bald in seine Natur zurück.
Jedes noch so harte Joch drückt den, der ruhig darunter geht, weniger als den, der widerstrebt. Das einzige Linderungsmittel bei großen Leiden ist, daß man in Geduld der Notwendigkeit gehorcht.
Viele lehren Betrug dadurch, daß sie betrogen zu werden fürchten und durch dieses Mißtrauen den Betrug rechtfertigen.
Einerlei Sache ist nicht immer einerlei, sondern nach ihrer Absicht verschiedentlich zu beurteilen.
Ein großer Teil der Freiheit ist ein gut erzogener Magen, der auch schlechte Behandlung erträgt.