Zitate von Kurt Tucholsky
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Laß dir von keinem Fachmann imponieren, der dir erzählt: Lieber Freund, das mache ich schon seit zwanzig Jahren so! Man kann eine Sache auch zwanzig Jahre lang falsch machen.

Literarische Erfolge beweisen zunächst nicht viel für den Wert eines Werkes. Überschreiten sie aber ein gewisses Maß, so zeigen sie etwas an: nämlich nicht so sehr die Qualität des Buches als den Geisteszustand einer Masse.

Der Berliner – und vielleicht ist’s überall so – wandelt seine Genies gern in Talente um, weil die leichter zu begreifen sind.

Amüsements sehen immer wie die Geschäfte aus, von denen man sich bei ihnen erholt. Diese Frauen und diese Lokale sind die Kehrseite der Valutawelt.

Zwei Männer kenn ich auf der Welt; wenn ich bei denen nachts anklopfe und sage: Herrschaften, so und so… ich muß nach Amerika – was nun? Sie würden mir helfen.

Man fällt nicht über seine Fehler. Man fällt immer über seine Feinde, die diese Fehler ausnutzen.

Die Satire beißt, lacht, pfeift und trommelt die große, bunte Landknechtstrommel gegen alles, was stockt und träge ist.

Ein Haufen von verhetzten, irregeleiteten, mäßig gebildeten, versoffenen und farbentragenden jungen Deutschen.

Man muß den Leuten nie mehr Geld aus der Tasche ziehen wollen, als wirklich drin ist, denn sonst merken sie’s.

Der Satiriker ist ein gekränkter Idealist: er will die Welt gut haben, sie ist schlecht, und nun rennt er gegen das Schlechte an.

Die Katholiken terrorisieren das Land mit einer Auffassung vom Wesen der Ehe, die die ihre ist und die uns nichts angeht.

Ein alter Baum ist ein Stückchen Leben. Er beruhigt. Er erinnert. Er setzt das sinnlos heraufgeschraubte Tempo herab, mit dem man unter großem Geklapper am Ort bleibt. Und diese alten Bäume sollen dahingehen, sie, die nicht von heute auf morgen nachwachsen? Die man nicht „nachliefern“ kann?

Wer spricht gutes Deutsch – ? Man mag gar nicht mehr hinhören, alles ist wie aus dem Warenhaus, und alle sagen dasselbe. Und wie sie nun erst schreiben!

Was wäre der Mensch ohne Telefon! Ein armes Luder. Was aber ist er mit dem Telefon? Ein armes Luder.

Mit dem nackten Körper stets den Begriff der Erotik zu verbinden, das ist ungefähr so intelligent, wie beim Mund stets ans Essen zu denken.

Jedes Verbrechen hat zwei Grundlagen: die biologische Veranlagung eines Menschen und das soziale Milieu, in dem er lebt.

Man kann sogar seine Gefühle nach dem Kalender regeln: zum Geburtstag, zum Gedenktag – und zu Weihnachten. Aber man muß welche haben.

Man denkt oft, die Liebe sei stärker als die Zeit. Aber immer ist die Zeit stärker als die Liebe.

Man kann doch nicht, in keiner Form, paktieren – es ist gar keine Sache des Charakters, es ist eine Sache des Seins.

Von Stund an, wo sie dich pudern, bis zum gemieteten Grab spielt sich alles und alles und alles unter zweihundert Menschen ab.

Recht kann man nur in bedrohten Lagen erkennen; wenn es da nicht gilt, taugt es nichts. Im Alltag, wo nichts vor sich geht, kann jeder ein Rechtsbewahrer sein.

Das Englische ist eine einfache, aber schwere Sprache. Es besteht aus lauter Fremdwörtern, die falsch ausgesprochen werden.

Ich mag Männer nicht leiden, die ihre Frauen zu Heiligen machen – die fallen dann herunter von dem Sockel, dann geht gewöhnlich etwas kaputt.

Die Börse erfüllt eine wirtschaftliche Funktion: ohne sie verbreiteten sich neue Witze wesentlich langsamer.

Als Gott am sechsten Schöpfungstage alles ansah, was er gemacht hatte, war zwar alles gut, aber dafür war auch die Familie noch nicht da.

Der Mensch möchte nicht gern sterben, weil er nicht weiß, was dann kommt. Bildet er sich ein, es zu wissen, dann möchte er es auch nicht gern; weil er das Alte noch ein wenig mitmachen will. Ein wenig heißt hier: ewig.

Wirklich Lebenskräftiges kann die Presse zwar nicht töten. Aber sie kann das Wachstum hindern, störend eingreifen, Schädliches länger am Leben erhalten, Konfusion anrichten.

Das Leben ist ernst und der Freuden sind wenig. Aber dies ist wohl eine: in Ruhe bei einer Tasse Kaffee und einer Zigarre zuhören, wie sich die Leute aufregen und abhaspeln und ihr schlechtes Deutsch herunterschnurren und sich versprechen und schimpfen, schimpfen, schimpfen.

Dein tiefstes Lebensgefühl – wann hast du das gehabt? Mit einem Freund? Immer allein.