Zitate von Angelus Silesius
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Mensch, wo du noch was bist, was weißt, was liebst und haßt, so bist du, glaube mir, nie ledig deiner Last.

Und wäre Christus tausendmal in Bethlehem geboren, und nicht in dir: Du bliebest doch in alle Ewigkeit verloren.

Ein Kampfplatz ist die Welt; Das Kränzlein und diew Kron‘ Trägt keiner, der nicht kämpft, Mit Ruhm und Ehr‘ davon.

Kein Stäublein ist so schlecht, kein Stüpfchen ist so klein: Der Weise siehet Gott ganz herrlich drinne sein.

Ich weiß nicht, was ich soll; es ist mir alles eins: Ort, Unort, Ewigkeit, Zeit, Nacht, Tag, Freud und Pein.

Der Glaub allein ist tot; er kann nicht eher leben, bis daß ihm seine Seel, die Liebe, wird gegeben

Daß Gott gekreuzigt wird, daß man ihn kann verwunden! Daß er die Schmach verträgt, die man ihm angetan! Daß er solche Angst aussteht! und daß er sterben kann! Verwundere dich nicht, die Liebe hat’s erfunden!

Mensch! Ein vollkommener Christ hat niemals rechte Freud auf dieser Welt. Warum? Er stirbet allezeit.

Es ist doch keine Lust und keine Seligkeit, die übertreffen kann der Liebe Süßigkeit.

Wer nichts verlangt, hat alles. Wer alles tut verlangen, Der hat in Wahrheit noch nicht einen Stiel empfangen.

Gott gibt ohne Maß: je mehr man ihn begehrt, Je mehr und mehr er sich erbietet und gewähret.

Die Seele ist ein Kristall, die Gottheit ist ihr Schein, der Leib, in dem du lebst, ist ihrer beider Schrein.

Mensch, wirst du nicht ein Kind, so gehst du nimmer ein, wo Gottes Kinder sind: Die Tür ist gar zu klein.

Der Sonne tut’s nicht weh, wenn du von ihr dich kehrst, Also auch Gotte nicht, wenn du in den Abgrund fährst.

Ich bin wie Gott, und Gott wie ich Ich bin so groß als Gott, er ist als ich so klein; Er kann nicht über mich, ich unter ihm nicht sein.

Der nächste Weg zu Gott ist durch der Liebe Tür: Der Weg der Wissenschaft bringt dich gar langsam für.

Ach Bruder, werde doch: was bleibst du Dunst und Schein? Wir müssen wesentlich ein Neues worden sein.

Der Vogel in der Luft, der Stein ruht auf dem Land. Im Wasser lebt der Fisch, mein Geist in Gottes Hand.

Ein wesentlicher Mensch ist wie die Seligkeit, die unverändert bleibt von aller Außerheit.

Mensch, alles außer dir; das gibt dir keinen Wert. Das Kleid macht nicht den Mann, der Sattel macht kein Pferd.

Die Liebe, wenn sie neu, braust wie ein junger Wein; je mehr sie alt und klar, je stiller wird sie sein.

Kind, mache dich gemein mit der Barmherzigkeit. Sie ist die Pförtnerin im Schloß der Seligkeit.

Das Wesen Gottes macht sich keinem Ding gemein Und muß notwendig doch auch in den Teufeln sein.

Ach, daß wir Menschen nicht wie die Waldvögelein, ein jeder seinen Ton, mit Lust zusammenschrein!

Zwei Augen hat die Seele: eins schauet in die Zeit. Das andre richtet sich hin in die Ewigkeit.

Bist du aus Gott geboren, so blühet Gott in dir, und seine Gottheit ist dein Saft und deine Zier.

Das Licht der Herrlichkeit scheint mitten in der Nacht. Wer kann es sehen? Ein Herz, das Augen hat und wacht.

Mensch, geh‘ nur in dich selbst, denn nach dem Stein der Weisen darf man nicht zuallererst in fremde Länder reisen.

Freund, glaub es oder nicht: ich hör‘ in jedem Nu, Wann ich bin taub und stumm, dem ew’gen Worte zu.

Tod ist ein selig Ding: je kräftiger er ist, Je herrlicher daraus das Leben wird erkiest.

Willst du den Perlentau der edlen Gottheit fangen, mußt du unverrückt an seiner Menschheit hangen.

Gott spricht nur immer Ja, der Teufel saget Nein: Drum kann er auch mit Gott nicht Ja und eines sein.

Man sagt, die Zeit ist schnell; wer hat sie sehen fliegen? Sie bleibt ja unverrückt im Weltbegriffe liegen.

Freund, wer in jener Welt will lauter Rosen brechen, den müssen vorher hier die Dornen genügsam stechen.

Mensch, bleib doch nicht ein Mensch: Man muß aufs Höchste kommen, Bei Gott werden nur die Götter angenommen.

Der allernächste Weg zur wahren Heiligkeit Ist Demut auf dem Pfad der keuschen Reinigkeit.

Aus Liebe gehn und stehn, Lieb‘ atmen, reden, singen: Heißt, seine Lebenszeit wie Seraphim verbringen.

Der Glaube, Senfkorn groß, versetzt den Berg ins Meer: denkt, was er könnte tun, wenn er ein Kürbis wär.

Das Tröpflein wird das Meer, wenn es ins Meer gekommen, die Seele Gott, wenn sie in Gott ist aufgenommen.

Daß dir im Sonnenschein vergehet das Gesicht, Sind deine Augen schuld und nicht das große Licht.

Der höchste Friede, den die Seele kann genießen, ist, wenn man sich kann eins mit Gottes Willen wissen.

Die Weisheit ist ein Quell: je mehr man aus ihr trinkt, je mehr und mächtiger sie wieder treibt und springt.

Die heiligste Majestät, willst du ihr Ehr erzeigen, wird allermeist geehrt mit heilgem Stilleschweigen.

Der Regen fällt nicht ihm, die Sonne scheint nicht ihr: Du auch bist andern geschaffen und nicht dir.

Wer in dem Nächsten nichts als Gott und Christum sieht, der siehet mit dem Licht, das aus der Gottheit blüht.