Zitate von Angelus Silesius
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Wer nichts begehrt, nichts weiß, nichts liebt, nichts will, der hat, der weiß begehrt und liebt noch immer viel.

Mensch, ist was Gut’s in dir, so maße dich’s nicht an; sobald du dir’s schreibst zu, so ist der Fall getan.

Du armer Sterblicher, ach bleib doch nicht so kleben An Farben dieser Welt und ihrem schnöden Leben: Die Schönheit des Geschöpfs ist nur ein bloßer Steg, Der uns zum Schöpfer selbst, dem Schönsten, zeigt den Weg.

Wenn Gott ein Feuer ist, so mein Herz ein Herd, Auf welchem Er das Holz der Eitelkeit verzehrt.

Freund, so du etwas bist, so bleib doch ja nicht stehn: Man muß aus einem Licht fort in das andre gehn.

Ich weiß, daß ohne mich Gott nicht ein Nu kann leben, Werd‘ ich selbst zunicht, Er muß vor Not den Geist aufgeben.

Schweig, Sünder, schreie nicht die Ev‘ und Adam an: wär’n sie nicht vorgefalln, du hättst‘ es selbst getan.

Die Rose, welche hier dein äußres Auge sieht, Die hat von Ewigkeit in Gott also geblüht.

Wer Gott liebt, schmeckt schon hier seins Geistes Süßigkeit, wer aber ihn nur fürcht‘, der ist davon noch weit.

Dort in der Ewigkeit geschieht alles zugleich, es ist kein Vor noch Nach wie hier im Zeitenreich.

Die Lieb‘ ist unser Gott, es lebet all’s durch die Liebe: Wie selig wär‘ ein Mensch, der stets in ihr verbliebe!

Ach, könnte nur dein Herz zu einer Krippe werden, Gott würde noch einmal Kind auf dieser Erden.

Es kann in Ewigkeit kein Ton so lieblich sein, als wenn des Menschen Herz mit Gott stimmt überein.

Ein offenes Auge sieht; tust du eins zu, o Kind, so bist du, Gott zu schauen, mutwillig maulwurfsblind.

Nicht alles Gut‘ ist gut. Mensch, überred dich nicht! Was nicht im Lieb-Öl brennt, das ist ein falsches Licht.

Freund, gönn es doch der Welt, ihr geht’s zwar wie sie will: Doch ist ihr ganzes Tun nichts als ein Trauerspiel.

Die Welt ist mir zu eng, der Himmel ist zu klein: Wo wird denn noch ein Raum für meine Seele sein?

Mensch, nichts ist unvollkomm’n; der Kies gleicht dem Rubin, Der Frosch ist ja so schön als Engel Seraphim.

Das Kreuz auf Golgatha kann dich nicht von dem Bösen, Wo res nicht auch in dir wird aufgericht, erlösen.

Mensch, denkst Du Gott zu schauen dort oder hier auf Erden, so muß Dein Herz zuvor ein reiner Spiegel werden.

Mensch, so du willst das Sein der Ewigkeit aussprechen, so mußt du dich zuvor des Redens ganz entbehren.

Für Böse ist’s Gesetz; wär kein Gebot geschrieben: Die Frommen würden doch Gott und den Nächsten lieben.

Ach Fauler, reg dich doch, wie bleibst du immer liegen! Fürwahr der Himmel wird dir nicht ins Maul reinfliegen!

Der Zorn ist höllisch Feuer. Wenn er in dir entbrennt, so wird dem heilgen Geist sein Ruhbettlein geschänd’t.

Geschäftig sein ist gut, viel besser aber beten, noch besser stumm und still vor Gott den Herren treten.

Gott wohnt in einem Licht, zu dem die Bahn gebricht: Wer es nicht selber wird, der sieht ihn ewig nicht.

Kein Ding ist auf der Welt so hoch und wert zu achten als Menschen, die mit Fleiß nach keiner Hoheit trachten.

Der Geist bleibt allzeit frey. Schleuß mich so streng du wilt in tausend Eisen ein Jch werde doch gantz frey und ungefässelt seyn.

Mensch, stirbest du nicht gern, so willst du nicht dein Leben; das Leben wir dir nicht als durch den Tod gegeben.

Gott ist noch mehr in mir, als wenn das ganze Meer in einem kleinen Schwamm ganz und beisammen war.

Ein Christ erfreuet sich in Leiden, Kreuz und Pein. So kann ja Freud und Leid gar wohl beisammen sein.

Viel haben macht nicht reich! Der ist ein reicher Mann, Der alles, was er hat, ohn‘ Leid verlieren kann.

Der Weise suchet Ruh und fliehet das Getümmel, sein Elend ist die Welt, sein Vaterland der Himmel.

Das Buch ist der bequemste Freund, man kann sich mit ihm unterhalten, so lange und so oft man will, man ist ganz ein Empfangender, kann in jeder Stimmung die rechte Kost wählen und ist nie enttäuscht.

Es ist zwar wahr, daß Gott dich selig machen will: Glaubst du, er will’s ohn‘ dich, so glaubest du zu viel.

Halt deinen Leib in Ehren, er ist ein edler Schrein, In dem das Bildnis Gottes soll aufbehalten sein.

Mensch, alles was du willst, ist schon zuvor in dir; es liegt nur an dem, daß du es nicht wirkst herfür.

Der Liebe Mittelpunkt ist Gott und auch ihr Kreis, In ihm ruht sie, liebt all’s in ihme gleicherweis.

Alles gilt dem Weisen gleich: er sitzt in Ruh‘ und Stille: geht es nach seinem nicht, so geht’s nach Gottes Wille.

Christ! mit dem halben Teil wirst du Gott nicht begaben, Er will das Herze ganz und nicht die Hälfte haben.

Gott ist ja nichts als gut: Verdammnis, Tod und Pein, und was man böse nennt, muß, Mensch in Dir nur sein.

Wer in sich Ehre hat, der sucht sie nicht von außen. Suchst du sie in der Welt, so hast du sie noch draußen.

Geh hin, wo du nicht kannst, sieh, wo du siehest nicht; hör, wo nichts schallt und klingt, so bist du, wo Gott spricht.

Mensch, wo du deinen Geist schwingst über Ort und Zeit, so kannst du jeden Blick sein in der Ewigkeit.

Wer Gott um Gaben bitt‘, der ist gar übel dran: Er betet das Geschöpf und nicht den Schöpfer an.

Kreuch doch heraus, mein Mensch, du steckst in einem Tier! Wo du darinnen bleibst, kommst du bei Gott nicht für.

Gott ist ein lauter Nichts, ihn rührt kein Nun noch Hier; je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird er dir.

Die Tugend nackt und bloß kann nicht für Gott bestehn, sie muß mit Liebe sein geschmückt, dann ist sie schön.

Ihr Menschen lernet doch vom Wiesenblümelein Wie ihr könnt Gott gefalln und gleichwohl schöne sein.